16. Fall - Wolfgang Krähling (1959)
„Ich bin der Teufel“
Die Vorstellung war aus. Nun stand er auf der Straße. Es war dunkel. Die Bilder in seinem Kopf überschlugen sich. Dann zog er los. Später sollte er sagen: „Wenn in einem Film geküsst wurde, dann habe ich in meiner Fantasie auch geküsst. Wenn ich eine Frau nackt sah, dann wurde ich ganz nervös. Ich stellte mir vor, diese Frau zu besitzen. Oder eine andere, irgendeine; sie schnappen und nicht lange fackeln.“
Gegen 12 Uhr fanden Mitarbeiter der Autobahnmeisterei an der Ausfahrt Karlsruhe-Durlach die Leiche einer Frau: Oberbekleidung und Unterwäsche aufgeschlitzt, zurückgeschlagen, die Beine gespreizt, das Gesicht blutverschmiert. Es war der 26. Februar 1959. Eine Mordkommission der Kripo Karlsruhe begann zu ermitteln. Als Todesursache wurde eine „tiefe Durchschneidung der Kehle“ angenommen. Der Obduktionsbefund bestätigte diese Annahme. Das Motiv war eindeutig: „Lustmord“. Nicht sicher war man sich hingegen, ob der Missbrauch vor oder nach der Tötung stattgefunden hatte. „Unbekannte Frau von unbekanntem Täter bestialisch ermordet“, schrieben die Badischen Nachrichten.
Erst einige Tage später konnte das Opfer identifiziert werden. Es war Gabriela Kaschner, 49, ledig, alleinstehend. Sie hatte als Kontoristin bei der Gablonzer Schmuckwarenfabrik in Karlsruhe gearbeitet und im Stadtteil Durlach gewohnt. Offenbar war sie auf dem Heimweg angegriffen worden.
Die Fahnder standen zunächst vor einem Rätsel. Wie war die Leiche an den Fundort gebracht worden? Hatte der Täter sie aus einem Auto über die kleine Böschung auf die Wiese geworfen? Oder war die Frau erst an Ort und Stelle ermordet worden? Mehrere Beamte besichtigten den Tatort ein weiteres Mal - und wurden fündig. Längs der Durlacher Allee entdeckte man einen frischen Holzdurchbruch an einer Hecke, von dem eine Schleifspur bis zur Fundstelle führte. Auch wurde ganz in der Nähe ein Fahrrad gefunden: Marke „Wanderer“, Nummer 621129, schwarzer Rahmen mit blauweißen Streifen, schwarze Schutzbleche, aufwärts gebogene Lenkstange, gewölbte Klingel mit der Aufschrift „Falter“, rotbrauner Tourensattel „Weinheim“, Dynamo „Miele“, Scheinwerfer „Petrix“; die Satteldecke auf der linken Seite aufgerissen, mit einer schnur am Rahmen befestigt; die Feder des Gepäckträgers etwas nach oben gebogen.
Handelte es sich um das Fahrrad des Mörders? Hatte er es einfach liegen gelassen, weil er gestört worden war oder sich beobachtet gefühlt hatte? Diese wie auch andere Tatversionen wurden in Erwägung gezogen, Doch das Ergebnis blieb unbefriedigend Der Besitzer des Fahrrades konnte nicht ermittelt werden, der Täter auch nicht.
Am 22. Oktober 1960 legte das Schwurgericht des Landgerichts Freiburg im Breisgau sich auf diesen Tathergang fest: „(…) Von der vergeblichen Suche müde geworden, begab er sich schließlich auf den Heimweg nach Karlsruhe-Durlach, wo er im Fremdenheim ‘Knaus’ wohnte. Er folgte der Durlacher Allee (Bundesstraße 10), als er etwa gegen Mitternacht in Höhe des Schlachthofes auf dem südlichen Bürgersteig die 49-jährige ledige Arbeiterin Gabriela Kaschner allein vor sich hergehen sah. Sogleich entschloss er sich, diese Frau zu überfallen, zu töten und dann geschlechtlich zu missbrauchen. Durch die lange vergebliche Suche nach einer Frau war seine Gier und seine Entschlossenheit gesteigert Es machte ihm deshalb nichts aus, dass die vor ihm gehende Frau schon älter zu sein schien. Er folgte ihr über die Autobahnbrücke, auf der die Durlacher Alle die Autobahn Heidelberg-Baden-Baden überquert. Am östlichen Ende der Autobahnbrücke liegt zwischen der Durlacher Allee, der Zufahrtsstraße zur Autobahn und der Autobahn selbst ein dreieckiges grasbewachsenes Feld, das ihm für sein Vorhaben geeignet zu sein schien.
Er sprang die völlig ahnungslose Frau von hinten an, schlang ihr seinen linken Arm fest um den Hals und würgte sie unter Zuhilfenahme der rechten Hand. Ohne den Würgegriff zu lockern, ließ er sich mit ihr nach rechts über eine etwa einen Meter hohe Hecke auf die grasbewachsene Böschung fallen und etwa 4 m weit die Böschung hinunterrollen. Fräulein Kaschner war durch die Wirkung des Griffes bewusstlos oder zumindest benommen. Nunmehr zog der Angeklagte sein Rasiermesser aus der Jackentasche und schnitt der neben ihm liegenden Frau die Kehle durch. Es entstand eine 8 cm lange und weit klaffende wunde, aus der das Blut spritzte. Fräulein Kaschner war sofort tot. Er wickelte ihr einen Schal um den Hals, weil ihn das herausquellende Blut störte, und zerrte sie an den Händen oder Füßen in die Mitte des erwähnten dreieckigen Feldes. Er bezweckte damit, von allen Seiten möglichst wenig gesehen zu werden und im toten Winkel der Scheinwerferlichter vorbeifahrender Autos zu sein.
Dann schlug er den Mantel der Toten zurück und schnitt ihr mit dem Rasiermesser die Kleider auf, so dass sie nackt vor ihm lag. Er entblößte seinen eigenen Oberkörper, um durch die körperliche Berührung den Geschlechtsreiz zu erhöhen. Das blutverschmierte Gesicht deckte er zu. Er versuchte zunächst, seinen Geschlechtsteil von vorn in die Scheide der Frau einzuführen, was ihm jedoch nicht gelang. Daraufhin drehte er die Leiche um und führte den Geschlechtsverkehr von hinten bis zum Samenerguss durch. Sodann reinigte er seinen Geschlechtsteil mit einem Damenstrumpf, den er für seine erwähnten onanistischen Praktiken mit sich führte, und zog sich an. Beim Weggehen vom Tatort nahm er eine Dose Büchsenmilch, die aus der Tasche der Toten herausgefallen war, an sich, öffnete sie mit dem Taschenmesser und trank sie aus. Alsdann begab er sich zum Schlafen in seine Pension“*
Einen Monat nach dem Mord an Gabriela Kaschner machte Ernst Wohlbring sich auf den Weg - von ernsthafter Sorge getrieben. Spät in der Nacht erreichte er den Landespolizeiposten Hornberg (Schwarzwald). Dem diensthabenden Beamten berichtete er sichtlich erregt: „Meine Tochter Katrin ist von der ihrer Arbeit noch nicht nach Hause gekommen. Sie treibt sich bestimmt nicht irgendwo herum, ohne dass wir etwas davon wüssten; schon gar nicht mitten in der Nacht. Ich befürchte Schlimmes.“
Wenige Stunden später wurde noch in der Morgendämmerung des Gründonnerstag eine Suchaktion gestartet. Gegen 9 Uhr fand man die Leiche der 18-Jährigen - am Nordausgang von Wolfach im Flussbett der Gutach. Der Tatort lag unmittelbar an der stark befahrenen Bundesstraße 33.
Beim Eintreffen der Freiburger Mordkommission, war die an dieser Stelle gestaute Gutach, bereits abgelassen worden. Der Leichnam lag auf einer Sand- und Steinbank mit dem Rücken auf dem Flussbett, die Kleider über den Kopf gezogen, die noch vorhandene Unterwäsche teilweise aufgeschlitzt und aufgerissen. Es fehlten jedoch ein grauschwarz-karierter Mohairrock, ein grauschwarzkarierter Unterrock, die Schuhe. Der Mörder musste die Kleidung mitgenommen haben.
Die Fundstelle wurde abgesucht. An einem nahe gelegenen Weg fand man Blutspuren, Haarbüschel und Teile eines zerrissenen Halskettchens. Auch waren Fußspuren zu erkennen, die von der Straße zum Gehweg führten. An einem am Hang zur Gutach stehenden Strauch hingen kleine Gehirnteilchen. Auf der gegenüberliegenden zweieinhalb Meter honen Böschung und vor einer hölzernen Bauhütte stießen die Ermittler auf Kampf- und Blutspuren, ein blutdurchtränkter Schlüpfer lag auf einem Steinhaufen. Hier musste das Opfer getötet worden sein.
Als „ungewöhnlich“ stuften die Ermittler den Tatort ein. Denn: Gegen 21:45 Uhr waren am Tattag in der Nähe des Leichenfundes Schreie und Hilferufe gehört worden. Der Täter war ein hohes Entdeckungsrisiko eingegangen, hätte zudem jederzeit durch vorbeifahrende Zeugen beobachtet werden können. Die Schlussfolgerung: Es musste sich um einen „Psychopathen“ handeln.
Ein Zeuge konnte ermittelt werden, der berichtete, dass er einen Mann gesehen habe, der in der näheren Umgebung des Tatorts eine kurze Wegstrecke vor dem Opfer hergegangen sei. Die Beschreibung des Unbekannten: 23 bis 25 Jahre alt; zirka 1,68 bis 1,70 Meter groß; untersetzt; langes blondes, zurückgekämmtes, ungepflegtes Haar; glattrasiert; bleiches Gesicht; dunkelbraune „James-Dean-Jacke“; lange dunkle Hose. Der Mörder? Ungewiss. Allerdings musste dieser Mann etwas gesehen oder gehört haben; also ein „wichtiger Zeuge“.
Umfangreiche Ermittlungen wurden durchgeführt. Im Visier der Fahnder: Landstreicher, im engeren beziehungsweise weiteren Bereich des Tatortes eingesetzte in- und ausländische Bauarbeiter, „Psychopathen“ aus Hornberg und Umgebung. Nach diesen Suchkriterien wurde auch die Einwohnermeldekartei ausgewertet.
Wenig später konnte in Erfahrung gebracht werden, dass zur Tatzeit im Bereich des Leichenfundortes ein Kleinfahrzeug gesehen worden war. Schnell hatte man den Eigentümer zur Hand, einen verheirateten Omnibusfahrer. Zeugen sagten aus: „Der ist sehr oft mit fremden Frauen unterwegs gewesen.“ Und: „Mit seinen ehelichen Pflichten hat er es nicht so genau genommen.“ Als „verdächtig“ galt der 32-Jährige, nachdem seine Frau der Kripo berichtet hatte, ihr Mann sei in jener Nacht erst nach Mitternacht nach Hause gekommen - mit blutbefleckter Jacke. Es wurde Haftbefehl erlassen. Indizien hatte man genug, nur keine Beweise. Die Jacke des Verdächtigen war gereinigt, eine Blutgruppenvergleichsuntersuchung somit unmöglich geworden. Und er stritt die Tat vehement ab: „Das war ich nicht!“ Schließlich mussten die Fahnder den Mann gehen lassen.
Die Freiburger Richter beurteilten diesen Fall eineinhalb Jahre später so: „(…) Am Abend des 25. März 1959 verließ er gegen 21:30 Uhr seinen Arbeitsplatz, um spazieren zu gehen. Es herrschte regnerisches Nieselwetter. In Hornberg hatte er noch keine Mädchenbekanntschaft gemacht und seit der Ermordung Gabriela Kaschners in Karlsruhe am 26.02.1959 sich nicht mehr geschlechtlich an einer Frau befriedigt. Auf der Hauptstraße sah er in einiger Entfernung die 18-jährige, ihm nicht unbekannte Friseuse Katrin Wolbring. Er interessierte sich sofort für sie und hatte den Wunsch, sie geschlechtlich zu gebrauchen.
Wegen der kurz bevorstehenden Osterfeiertage war im Friseurgeschäft Reisinger ungewöhnlich viel Arbeit angefallen, so dass Katrin Wolbring an jenem 25. März 1959, dem Mittwoch vor Ostern, erst spät fertig geworden war. Sie hatte sich dann noch schnell selbst frisieren lassen, bevor sie kurz nach 21:30 Uhr das Geschäft verließ, um nach Hause in ihre elterliche Wohnung in der Hans-Thoma-Straße, die in einer außerhalb der geschlossenen Ortschaft Hornberg liegenden Häusergruppe liegt, zu gehen. Der Angeklagte folgte dem Mädchen durch die Hauptstraße und die Bundesstraße 33 in südlicher Richtung. Er beabsichtigte, es an einer geeigneten Stelle zu überfallen und geschlechtlich zu missbrauchen. (…)
In Höhe eines Geräteschuppens holte der Angeklagte Katrin Wolbring ein, packte sie während des Überholens plötzlich und für sie völlig unerwartet mit dem linken Arm fest um den Hals, riss sie mit Hilfe der rechten Hand an sich und würgte sie, um sie am Schreien zu hindern. Er schob sie, ohne den Würgegriff zu lockern, über die Straße vor sich her und den grasbewachsenen Zufahrtsweg zum Schuppen hinauf. Er wollte sie hinter den Schuppen zerren, kam jedoch vor dem Tor des Schuppens zwischen einigen großen umherliegenden Steinen mit dem Mädchen zu Fall. Es entspann sich nun ein längerer Kampf, wobei der Angeklagte versuchte, Katrin Wolbring bis zur Bewusstlosigkeit zu würgen. (…)
Das Mädchen wehrte sich verzweifelt und mit letzter Kraft. Sie rang mit dem Angeklagten und stemmte ihre Füße gegen die Tür des Schuppens. An der Mittellatte der Tür entstand dadurch ein Abdruck ihres linken unbeschuhten Fußes, der noch lange Zeit später deutlich zu sehen war. Ihren Schuh hatte sie schon auf dem Weg zum Schuppen verloren. Während des Kampfes beobachtete der Angeklagte unausgesetzt den Verkehr auf der Straße und hielt, flach auf dem Boden liegend, inne, wenn Fahrzeuge oder Fußgänger vorbei kamen. Als er erkennen musste, dass er allein durch Würgen den Widerstand des Mädchens nicht werde brechen können, packte er mit beiden Händen einen großen Stein und schlug mit aller Kraft auf ihren Kopf ein, um sie auf diese Weise zu töten. Durch eine auf den Hinterkopf treffenden Schlag kam es zu einem Schädelbasisbruch und zur Verletzung des Gehirns, was wiederum eine Luftembolie zur Folge hatte.
Der Angeklagte deckte nun das blutüberströmte Gesicht des bewusstlos gewordenen Mädchens mit ihrem Mantel zu, riss ihre Kleider auf, streifte seinen Pullover hoch, um durch die Berührung der nackten Körper seine Geschlechtslust zu erhöhen, und vollzog an dem nackt vor ihm liegenden, noch unberührten Mädchen den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss. Während des Verkehrs lebte das Mädchen noch.
Nachdem der Angeklagte sich befriedigt hatte, ordnete er seine Kleider, wobei er, wie zuvor, stets die nahe gelegene Straße beobachtete. Gleichzeitig stellte er einen Fuß auf den Hals des Mädchens und verlagerte das Gewicht auf dieses Bein, um auf diese Weise das verräterische Röcheln der Sterbenden zu unterbinden (er befürchtete, es könne auf der Straße von jemandem gehört werden) und den Eintritt des Todes zu beschleunigen. Nachdem das Röcheln aufgehört hatte und Katrin Wolbring tot war, schleifte er die Leiche die Böschung hinunter auf die Straße und warf sie über einen Zaun hinweg in die 8 m tiefer vorbeifließende Gutach. Er ging dann wieder zum Tatort zurück und holte die dort liegen gebliebenen Kleidungsstücke des Mädchens und einige große blutige Steine, die er ebenfalls in die Gutach warf. Er wollte dadurch die Aufklärung des Mordes erschweren. Sodann ging er wieder in das Hotel ‘Bären’ zurück und legte sich ins Bett. Nach seinen Angaben war es die einzige Tat, die ihn innerlich beunruhigte und in der Tatnacht seinen Schlaf störte.“*
Am 1. Juni 1959 teilte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg der Kripo in Freiburg mit dass im Ferien-Sonderzug D 966 von Hamburg nach Albenga/Italien eine gewisse Doris Köster vermisst werde. Die 21-jährige kaufmännische Angestellte war in ihrem Wohnort Heidelberg zugestiegen, hatte sich einen lang gehegten Traum erfüllen wollen: Urlaub an der ligurischen Mittelmeerküste. Der „Verdacht eines Verbrechens“ verdichtete sich, als ermittelt wurde, dass der Zug am 1. Juni gegen 2 Uhr auf freier Strecke in der Nähe von Freiburg gehalten hatte - etwa 500 Meter südlich des Bahnhofs Schallstadt. Durch einen Unbekannten war die Notbremse gezogen worden. Suchtrupps der Bahnpolizei und der Kripo Freiburg wurden losgeschickt, man fand jedoch nichts.
Über das Bundeskriminalamt wurde Interpol Rom eingeschaltet. Zeugenvernehmungen sollten vorbereitet werden. Zwei Beamte der Freiburger Mordkommission machten sich auf den Weg. Zunächst vernahmen sie zwei Mitreisende aus der Pfalz. Sie hatten gesehen, wie der mutmaßliche Täter die Böschung hochgelaufen war. Ihre Beschreibung des Mannes war dürftig: 25 bis 28 Jahre alt, zirka 1,75 Meter groß, welliges Haar, dunkler Anzug. Auch wurden die beiden Freundinnen des Opfers befragt. Die gaben an, zunächst mit Doris in einem Abteil gesessen zu haben. Auf Anweisung des Schaffners hätten Sie dann aber das Abteil verlassen müssen, weil andere Reisende für ihre Plätze zu erwarten gewesen seien Diese und andere Aussagen blieben schemenhaft, unkonkret, brachten die Ermittler nicht weiter. Enttäuscht kehrten sie zurück.
Schließlich wurden der Reiseführer und die eingesetzten Zugbegleiter nach Freiburg beordert, dort vernommen. Der Reiseleiter gab zu Protokoll: „Mir ist ein Mann aufgefallen. Der saß in meinem Dienstabteil. Als ich ihn fragte, was er dort zu suchen habe, sagte er, die Gegend betrachten zu wollen.“ Der Schaffner des Wagens 405 berichtete, er sei von einem Mann in ähnlicher Weise angesprochen worden: „Er bat mich um die Zuweisung eines leeren Abteils, um sich die Gegend anschauen zu können. Als Begründung gab er an, nicht schlafen zu können und die anderen Mitreisenden nicht stören zu wollen.“ Die von den Zeugen abgegebene Beschreibung des ominösen Unbekannten stimmte größtenteils mit den Angaben der Ferienreisenden aus der Pfalz überein. Also mussten sie dem vermeintlichen Mörder begegnet sein. Das Dumme dabei: Er war nicht kontrolliert worden, man hatte ihn einfach gehen lassen. Die Ermittlungen wurden weitergeführt; zunächst ohne zählbaren Erfolg.
In der vom 3. bis zum 22. Oktober 1960 durchgeführten Hauptverhandlung kam Licht ins Dunkel. Nach Auffassung des Freiburger Schwurgerichts hatte die Tat sich so zugetragen: (…) Im Laufe des 31.05.1959 hielt er sich in Frankfurt/Main auf und besuchte mehrere Kinoveranstaltungen, durch die seine geschlechtliche Fantasie angeregt wurde. Nach Beendigung der letzten Veranstaltung begab er sich zum Hauptbahnhof, wo er sich die Abfahrtszeiten für Sonderzüge anschaute. Da er für die Nacht kein Obdach hatte und schon mehrmals Schwarzfahrten unternommen hatte, überlegte er sich, mit einer Bahnsteigkarte in einen Feriensonderzug zu gelangen und die Nacht über darin mitzufahren. Er wusste aus seiner Tätigkeit als Zugpage bei dem Reiseunternehmen Scharnow-Hummel, dass die Sonderzüge gewöhnlich etwa um 10 Uhr abends Frankfurt passieren. Um 22:10 Uhr verließ der Alpen-See-Express mit der Zug-Nr. 952 den Hauptbahnhof mit dem Reiseziel Rosenheim. Der Angeklagte löste sich eine Bahnsteigkarte und stieg in diesen Zug ein.
Noch bevor er sich zu dieser Schwarzfahrt entschlossen hatte, hatte er in Frankfurt den Gedanken erwogen, eine Frau aus einem fahrenden Zug zu werfen, dann den Zug durch Ziehen der Notbremse zum Stehen zu bringen und danach das Opfer aufzusuchen und sich an ihm geschlechtlich zu befriedigen. Im Alpen-Express lief er mehrmals durch alle Wagen und schaute sich nach einem Mädchen um. Da der Zug stark besetzt war und er zudem befürchtete aufgefallen zu sein, stieg er um 23:25 Uhr in Heidelberg wieder aus. Er wartete dort auf den Scharnow-Hummel-Express, Zug-Nr. D 966, der an die italienische Riviera fuhr und etwa eine halbe Stunde später in Heidelberg eintraf.
Zusammen mit etwa 30 Personen stieg er in diesen Zug ein. Er wählte zunächst den letzten Wagen, für den - was er aus seiner früheren Tätigkeit bei der Scharnow-Hummel wusste - keine Platzkarten ausgegeben waren, und begab sich im Laufe der Fahrt nach vorne auf der Suche nach einem Mädchen. Im Wagen 405 fiel im die 21-jährige Doris Köster auf, die sich allein in einem noch beleuchteten Liegeabteil befand, aber offenbar am Einschlafen war. (…)
Der Angeklagte ging zunächst in das Abteil von Frau Köster und schaltete das Licht aus, so, als ob er der Zugpage sei. Danach setzte er sich zunächst in ein anderes Zugabteil. Er war auf seiner Wanderung durch den Zug mehreren Zugpassagieren begegnet, wurde jedoch, da er selbstsicher auftrat, nicht kontrolliert. Als der Zug um 02:30 Uhr den Bahnhof von Freiburg verließ, huschte der Angeklagte wieder in das Abteil von Doris Köster und legte sich dort auf einer Liege nieder. Gleich darauf stand das Mädchen auf, um auf die Toilette zu gehen. Der Angeklagte folgte ihr.
Er befürchtete zunächst, man habe dem Mädchen ein Abteil für sich alleine zugesagt und sie wolle sich nun beim Zugpagen darüber beschweren, dass der Angeklagte in ihrem Abteil Platz genommen habe. Als er jedoch die vordere Toilette des Wagens abgeschlossen fand und sich sein Verdacht als unbegründet erwies, entschloss er sich, seinen vorher erwogenen Plan zu verwirklichen und das Mädchen aus dem Zug zu werfen. Um sein vorhaben zu erleichtern, schraubte er eine der beiden Glühbirnen heraus, die die Plattform erleuchteten, und lockerte die zweite, so dass auch sie verlöschte. Dann öffnete er die neben der Toilette in Fahrtrichtung links (östlich) gelegene Wagentür, die durch den Fahrtwind an den Wagen angelehnt blieb, und stellte sich an die gegenüberliegende Wagentür, um den Gang beobachten zu können. Als Fräulein Köster nichts ahnend aus dem Abort herauskam und in den dunklen Gang hinaustrat, ging er auf sie zu, als ob er selbst auf die Toilette wolle, versetzte ihr dann aber plötzlich mit beiden Händen eine wuchtigen Stoß gegen die Brust, so dass sie gegen die nur angelehnte Wagentür fiel. Diese öffnete sich und Doris Köster fiel mit einem lauten Schrei hinaus. Der Zug befand sich in diesem Augenblick 7,4 km von Freiburg entfernt in der Nähe des Bahnhofes Ebringen und fuhr mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h.
Das Mädchen prallte zunächst gegen die Außenwand des Wagens, schlug dann zwischen den Gleisen auf Schotter auf, wurde dreimal durch die Luft gewirbelt und blieb nach etwa 47 m schwerverletzt liegen. Der 6. Halswirbel war gebrochen und das Rückenmark gequetscht. Ferner waren der linke Oberschenkel und der rechte Ellenbogen gebrochen, das rechte Fußgelenk war auseinandergerissen und das Steißbein zertrümmert. Der ganze Körper war mit ausgedehnten, zum Teil tieferen Verletzungen der Haut und mit Blutunterlaufungen bedeckt.
Der Angeklagte eilte in den übernächsten Wagen in Richtung Zugende und zog dort die Notbremse. Als der Zug kurz nach dem Bahnhof Schallstadt zum Stehen gekommen war, verließ ihn der Angeklagte und ging auf dem Bahndamm zurück, um das Mädchen, von dem er annahm, dass sie tot sei oder im Sterben liege, zu suchen. Beim Verlassen des Zuges wurde er zwar von Reisenden gesehen, man hielt ihn jedoch für einen blinden Passagier und schenkte der Sache keine größere Beachtung. Nach einem kurzen Aufenthalt fuhr der Zug weiter. Das Verschwinden der Doris Köster wurde erst am Morgen entdeckt.
Nach etwa einer halben Stunde fand der Angeklagte das Mädchen bewusstlos, aber noch heftig stöhnend zwischen den Gleisen liegend. Er zog sein feststehendes Messer (Hirschfänger) aus der Tasche und stieß es ihr in Tötungsabsicht in den Hals. Sie erlitt dadurch eine Luftembolie, an der sie unmittelbar darauf gestorben ist. Er schleifte sie sodann den Bahndamm hinunter und legte sie auf einen parallel zur Bahnlinie am Fuß der Böschung entlang führenden grasbewachsenen Feldweg. Dort (möglicherweise auch schon auf dem Bahndamm) schnitt er ihr die Kleider auf und rollte ihre Nylonstrümpfe herunter, so dass sie nackt vor ihm lag. Er selbst entkleidete sich so weit, dass sein Oberkörper entblößt war, und vollzog den Geschlechtsverkehr an der Toten bis zum Samenerguss. Danach legte er die Leiche in einen am Bahndamm entlang führenden Wassergraben und deckte sie mit Gras zu, um ein Auffinden zu erschweren. Es dämmerte schon, als er den Tatort wieder verließ. Zuvor nahm er noch einige der Doris Köster gehörende Gegenstände, einen Kamm, eine Uhr und einen kleinen Geldbetrag, an sich.“*
Es war eine furchtbare Nacht für die Eltern Leuze, als sie Stunde für Stunde auf ihre Tochter warteten. Vergeblich. Rita, gerade 16 geworden, war sonst immer pünktlich gewesen. Sie arbeitete als kaufmännischer Lehrling in einem Möbelgeschäft in Baden-Baden, fuhr jeden Tag über Rastatt nach Ötigheim und von dort nach Hause zu ihren Eltern. Anfangs hoffte ihr Vater noch, sie sei vielleicht von Kolleginnen überredet worden, mit ins Kino zu gehen. Aber Gerda Leuze widersprach: „Das tut Rita nicht. Wenn ihr nur nichts passiert ist. Man liest ja jeden Tag von Straßenunfällen in der Zeitung.“ Den Gedanken, die Befürchtung, Rita könnte einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein, schoben ihre Eltern geflissentlich beiseite; eine grauenhafte Vision, an die sie sich nicht heranwagen wollten. Als Rita in den Morgenstunden des 9. Juni 1959 immer noch nicht heimgekehrt war, wurde es den Eltern zu viel. Sie schickten ihren Sohn Klaus nach Rastatt. Bei der Kripo sollte er eine Vermisstenanzeige erstatten.
Unverzüglich wurde eine Fahndung eingeleitet. Es konnte schnell ermittelt werden, dass Rita am Vorabend im Bahnhof Rastatt letztmals gesehen worden war. Das Mädchen musste demnach dort ausgestiegen sein. Vermutlich hatte sie den restlichen Heimweg zu Fuß zurücklegen wollen. Unter Einsatz von Fährtenhunden wurde das gesamte Waldgebiet zwischen Rastatt und Ötigheim durchkämmt. Die Suchaktion hatte Erfolg. Gegen 17:10 Uhr fand man Ritas Leiche. Zwei Beamte der Kripo Rastatt überbrachten die Todesnachricht. Es traf die Familie wie ein Keulenschlag. Nichts würde mehr so sein wie bisher. Gerda Leuze erlitt einen Nervenzusammenbruch, Vater und Bruder kümmerten sich um sie, riefen den Hausarzt. An die Kriminalisten richteten sie wenig später bohrende Fragen: „Warum Rita?“ „Wer hat uns das angetan?“ Dann der flammende Appell: „Schnappen Sie diesen Unmenschen!“
Rita wurde im hohen Waldgras eines Mischgehölzes gefunden: mit gespreizten Beinen, auf dem Rücken liegend, die Kleidung vollständig von oben nach unten aufgeschnitten, an beiden Seiten des Körpers zurückgeschlagen. Am Hals der Leiche waren deutliche Würgemerkmale zu sehen, der Kehlkopf zeigte eine eher oberflächliche kleine Schnitt- oder Stichverletzung. Unterleib und Unterwäsche waren blutbesudelt, die Schamhaare mit Sperma befleckt. 24 Meter von der Leiche entfernt, fand man Schulhefte, Klassenbücher und die braune Aktenmappe des Mädchens. Es fehlten die Geldbörse und ein Damenknirps. Als Tatzeit wurde 18:30 bis 19:30 Uhr angenommen.
Ein Zeuge meldete sich und berichtete, einen Mann zu dieser Zeit im näheren Bereich des Tatorts gesehen zu haben. Er konnte den mutmaßlichen Täter jedoch nur vage beschreiben: 25 bis 30 Jahre alt, etwa 1,70 Meter groß, dunkles Haar, schlank.
Bis dahin waren - abgesehen von dem Fall in Karlsruhe - binnen kurzer Zeit drei Sexualmorde im Großraum Südbaden begangen worden. Von demselben Täter? Die Ermittler suchten nach Übereinstimmungen - und fanden sie: das Würgen und Stechen, das Aufschlitzen der Kleidung, das vollständige Entblößen der Leichen, die Vergewaltigungen beziehungsweise der sexuelle Missbrauch, das Alter der Opfer. Aber es gab auch beachtenswerte Abweichungen. Die Opfer waren erwürgt, erschlagen und aus dem Zug geworfen worden, die Tatorte lagen bis zu 100 Kilometer auseinander. Und es gab Beschreibungen des beziehungsweise der Täter, die teilweise erheblich voneinander abwichen. Dennoch: Man verständigte sich auf einen Serientäter, „rücksichtslos, primitiv, sadistisch“, möglicherweise auch „fetischistisch veranlagt“. Zahlreiche Verdächtige wurden kassiert, die einer der Täterbeschreibungen ähnelten und durch „Notzuchtdelikte“ aufgefallen waren. Doch alle mussten sie wieder freigelassen werden. Nach wie vor lastete ein erheblicher Druck auf den Ermittlern, die Bevölkerung Südbadens verlangte nach schneller Aufklärung dieser „beunruhigenden Triebverbrechen“.
18 Monate später erkannte das Schwurgericht in Freiburg auf diesen Tathergang: „(…) Am Nachmittag des 5. Juni 1959 legte er sich, nach vergeblicher Verfolgung einer anderen Frau, im Walde zwischen Ötigheim und Rastatt in der Nähe eines vielbegangenen Waldweges, des sogenannten Tellweges, auf die Lauer in der Absicht, eine Frau zu überfallen. Die erwartete günstige Gelegenheit bot sich ihm jedoch lange nicht, da die Mädchen und Frauen immer in Gruppen vorbeikamen. Der Anblick dieser Frauen steigerte seine geschlechtliche Erregung so sehr, dass er sich schließlich selbst befriedigte.
Nachdem er stundenlang gewartet hatte und schon im Begriff war, sein Vorhaben aufzugeben, kam gegen 18:30 Uhr aus Richtung Rastatt die 16-jährige Rita Leuze aus Ötigheim allein zu Fuß des Weges. (…) Der Angeklagte ging zunächst ein Stück weit in ihrer Wegrichtung, trat dann auf den Weg hinaus und ging dem Mädchen entgegen, als ob er von Ötigheim käme. Als er in gleicher Höhe mit ihr war, trat er plötzlich auf sie zu, fasste sie, für sie völlig unerwartet, mit dem linken Arm fest um den Hals, zog den Arm unter Zuhilfenahme seiner rechten Hand kräftig an sich und würgte das Mädchen, damit sie nicht schreien konnte. Er zerrte sie dann, ohne den Würgegriff zu lockern, in den Wald, zeigte ihr seinen Dolch und forderte sei auf, sich „ficken“ zu lassen. Als das Mädchen sich weiter wehrte, schleppte sie der Angeklagte weiter in den Wald hinein. Nach etwa 50 m gelang es ihr, sich zu befreien.
Sie ließ ihr Aktentasche fallen, die sie noch immer in der rechten Hand gehalten hatte, und flüchtete auf den Weg zu. Nun kannte er kein Erbarmen mehr. Trotz flehentlicher Bitten des Mädchens, sie in Ruhe zu lassen, würgte er sie mit aller Kraft, bis sie keinen Widerstand mehr leistete und Arme und Beine schlapp hängen ließ. Schon in diesem Zeitpunkt rechnete er mit dem Tod des Mädchens als möglicher Folge seines Würgens. Er knöpfte sodann der Bewusstlosen das vorne durchgehend zugeknöpfte Sommerkleid auf, schnitt ihr mit seinem Dolch den Unterrock, das Hemd, den Büstenhalter, den Strumpfhalter und den Schlüpfer auf und zog ihr die Strümpfe bis an die Knie herunter. Nachdem er sich selbst teilweise entblößt hatte, um durch die Berührung der nackten Körper den Geschlechtsreiz zu erhöhen, vollzog er an dem bis dahin noch unberührten Mädchen den Geschlechtsverkehr.
Während dieses Geschehens kam Rita Leuze wieder zu sich. Sie öffnete die Augen und sah den Angeklagten groß an, ohne etwas zu sagen. Als dieser das bemerkte, drückte er ihr sofort mit beiden Händen, nun in direkter Tötungsabsicht, nochmals den Hals zu, ohne hiebei den Geschlechtsverkehr zu unterbrechen, bis sich ihr Gesicht blau verfärbte und sie starb. Nachdem er sich bis zum Samenerguss befriedigt hatte, versetzte er ihr mit dem Hirschfänger einen leichten Stick in den Hals, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich tot sei. Es kam jedoch kein Blut mehr. Hätte das Mädchen noch gelebt, dann hätte er, so wie er angibt, an ihr später nochmals den Geschlechtsverkehr vorgenommen.
Der Angeklagte, der während der gesamten Tatausführung in Richtung Tellweg nach Gefahr Ausschau hielt, kleidete sich wieder an und suchte nach der Aktentasche des Mädchens, in der er Geld vermutete. Der Gedanke, die Tasche nach etwas Brauchbarem zu durchsuchen, kam ihm erst jetzt. Er leert sie aus und nahm einen fast leeren Geldbeutel, eine Tüte Bonbons, einen Damenschirm und das Buch ‘Die unsichtbare Flagge’ mit. Er ging dann zum Tellweg zurück, nahm das gestohlene Fahrrad, fuhr ein Stück in Richtung Rastatt und legte sich unweit des Tatortes im Wald nieder, um sich auszuruhen. Nach Einbruch der Dunkelheit fuhr er in Richtung Baden-Baden weiter.“*
Am 19. Juni 1959 erhielt der Landespolizeiposten Hornberg einen Anruf. Gegen 10:30 Uhr teilte der Schneidermeister Friedhelm Koller mit: „Einer meiner Kunden, mir bekannt unter dem Namen Wolfgang Krähling, hat vor einigen Monaten einen Anzug, eine Hose und eine Jacke bei mir bestellt und heute morgen abgeholt. Nach dem Bezahlen zog er die neuen Sachen gleich an, ließ die alten Klamotten aber in meinem Geschäft zurück. Er sagte, er wolle sie später abholen. Meine Gehilfin wurde neugierig, weil das Paket so schwer war. Sie hat es abgetastet, die Verpackung schließlich aufgerissen. Zum Vorschein kam ein am Lauf verändertes Kleinkalibergewehr. Ich habe von dem Einbruch in das Waffengeschäft in Baden-Baden in der Zeitung gelesen und halte es für meine Pflicht, Ihnen dies mitzuteilen. Herr Krähling hält sich wohl noch in der Stadt auf.“
Unverzüglich machte sich ein Beamter auf den Weg. Er sollte das Paket sicherstellen und den Kunden ausfindig machen. Polizeiobermeister Bernhard Schmidt, der einen prächtigen Kugelbauch vor sich hertrug, ließ sich den Kunden nochmals genau beschreiben. Als der Ordnungshüter auf der Hauptstraße in Hornberg wenig später nach dem Gesuchten Ausschau hielt, verließ dieser - Kommissar Zufall wollte es so - einen Friseurladen. Schmidt stellte den Mann: „Herr Krähling, kommen Sie mit auf die Dienststelle. Es geht um Ihr Gewehr. Wir müssen uns mal darüber unterhalten.“ Krähling sagte nichts, lächelte nur und folgte dem Beamten - bis zur nächsten Straßenkreuzung. Dort flüchtete er. Schmidt lief hinterher: „Stehenbleiben, Sie sind festgenommen!“ Krähling begann zu spurten; Schmidt auch, so gut es ging. Aber Krähling war schneller, der Abstand wurde größer.
Nun hatte Kommissar Zufall wieder seine Hände im Spiel. Kurt Blocher, Polizeimeister in Hornberg, machte gerade Pause, schlürfte eine Tasse Tee und schaute aus seinem Bürofenster. Plötzlich sah er Krähling Richtung Bahnhof laufen; etwa 200 Meter dahinter sein Kollege. Kurz entschlossen hastete Blocher zu seinem Motorrad und raste zum Bahnhof. Zu dieser Zeit war Gerhard Nölle, 45-jähriger Schausteller, damit beschäftigt, seine Bude für den kommenden Sonntag auszustatten. Aufmerksam wurde er, als ein junger Bursche heranstürmte und versuchte, das Dach der benachbarten Baracke zu erklimmen. Sekunden später sah er den Polizisten heranbrausen, von seinem Motorrad springen und auf die Baracke zustürzen. Gerhard Nölle ahnte, was sich vor seinen Augen abspielte: eine Verfolgungsjagd. Mit zwei Schritten war er bei der Baracke, griff beherzt zu, zerrte den Flüchtenden zu Boden. Der wehrte sich heftig, begann zu schlagen, zu treten. Schließlich war Polizist Blocher rechtzeitig zur Stelle, verpasste dem nun Verdächtigen eine kräftigen Hieb ins Genick. Der taumelte. Dann klickten die Handschellen.
Der Postenführer in Hornberg meldete diesen Vorfall seiner vorgesetzten Behörde in Freiburg. Denn Wolfgang Krähling hatte gestanden; nicht den Einbruch in Baden-Baden, aber einen Raubüberfall auf einen Schalterbeamten des Bahnhofs in Karlsruhe-Durlach, einen Tag zuvor. Reumütig hatte der 22-jährige Hilfsarbeiter erklärt: „Jawohl, das mit dem Kassierer bin ich gewesen.“ Der Leiter der Kriminalhauptstelle in Freiburg erfuhr hiervon, als er sich auf einer Dienstreise in Baden-Baden befand. Horst Klose, Kriminalhauptkommissar, erschien wenige Stunden später in Hornberg. Auf den 49-Jährigen machte Krähling äußerlich einen durchaus gepflegten, ja sogar einen guten Eindruck. Aus dem Protokoll: „(…)
Scheinbares Alter: 25 Jahre
Größe: 179 cm ohne Schuhe - 183 cm mit Schuhen
Gestalt: schlank, muskulös
Kopfform: oval. hohe Form
Gesichtsform: länglich, hager, hervorstehende Backenknochen, eingefallene Wangen
Gesichtsfarbe: blass, leicht gebräunt
Haare: mittelblond, glatt nach hinten gekämmt, ohne Scheitel, lang
Bart: glatt rasiert
Augen: blaugrau
Augenbrauen: dunkelblond, zusammengewachsen, dicht, schmal
Stirn: zurückweichend, hoch
Kinn: zurückweichend, breit mit Grübchen
Spricht: Schrift- und Plattdeutsch
Krähling ließ keinerlei Anzeichen von Hektik erkennen. Bereitwillig, ruhig und gelassen wiederholte er Horst Klose gegenüber seine Aussage. Trotzdem wurden einige Tage später auf Veranlassung der Freiburger Mordkommission die in dem Paket gefundenen alten Kleider auf Spuren untersucht. Mit Erfolg: Man fand eingetrocknete Blutspuren an der Innenseite eines Ärmels und verschiedene Haare an der Innenseite seiner Hose. Und: Krähling war in Hornberg in jenem Friseurladen gewesen, in dem Katrin Wolbring gearbeitet hatte. Die 18-jährige war drei Monate zuvor ermordet worden. Zufall? Niemand wusste darauf eine Antwort. Dennoch musste in Betracht gezogen werden, dass Krähling auch mit den ungeklärten Frauenmorden in Verbindung gebracht werden könnte. Bisher hatte man eine Reihe von Verdächtigen gehabt. Aber keiner war so „gut“ gewesen.
Zunächst wurde Krähling zu seinen Aufenthaltsorten in den vergangenen sechs Monaten befragt. Seine Angaben glichen einer Offenbarung. Die Beamten der Mordkommission konnten feststellen, dass der Verdächtige sich überall dort herumgetrieben hatte, wo in der jüngeren Vergangenheit im Bereich Nord- und Südbaden Morde, Sexualverbrechen und Raubüberfälle verübt worden waren. Das war mehr, als man zu hoffen gewagt hatte. Und es kam noch besser: Gisela Peters, sie war in der Nacht des 30. Mai 1959 in ihrer Wohnung in Singen überfallen und gewürgt worden, tippte auf ein vorgelegtes Foto: „Der war´s. Ganz bestimmt!“ Die 18 jährige Abiturientin hatte Krähling zweifelsfrei identifiziert. Der mutmaßliche Serienräuber, -vergewaltiger und -mörder wurde nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft Offenburg nach Freiburg überführt, dort in der Untersuchungshaftanstalt untergebracht. Erst Vernehmungen durch Hinrich Droste, den Leiter der Freiburger Mordkommission, brachten keine neuen Erkenntnisse. Allerdings war deutlich geworden, dass Krähling lediglich durch zweifelsfreie Beweise ein Geständnis zu entlocken sein würde. Man hatte es offenbar mit einem intelligenten Burschen zu tun, der sich hinter der Fassade des bescheidenen, kleinen Ganoven verschanzte.
Heinrich Droste kam eine Idee. Krähling sollte Zeugen gegenübergestellt werden, die ihn im Ferien-Sonderzug D 966 gesehen hatten. Es bestand berechtigte Hoffnung, dass sie ihn als jenen Mann würden identifizieren können, der Doris Köster aus dem Zug gestoßen und anschließend umgebracht hatte. Ausgewählt wurden der Reiseleiter und der Schaffner des Wagens 405. Die Gegenüberstellung erfolgte auf der Polizeiwache des Freiburger Bahnhofs. Krähling war ahnungslos. Die Zeugen musterten vier Männer, darunter der Verdächtige. Das Ergebnis war niederschmetternd: Keinem der beiden kam einer der Männer „irgendwie bekannt“ vor. Aber Krähling zeigte erstmals Zeichen von innerer Anspannung und Nervosität, wogte mit dem Oberkörper hin und her, vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Ähnliche Reaktionen zeigte er, als ihm noch am selben Tag Kopf- und Schamhaare entnommen wurden. Er war sichtlich beeindruckt, er schien sich vor etwas zu fürchten, er wirkte niedergeschlagen.
Mit den Mordfällen hatte man ihn bislang noch nicht konfrontiert. Dies erschien angesichts der dürftigen Beweislage auch nicht ratsam. Er würde alles abstreiten. Aus diesem Grund sollte zunächst ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Georg Brüderle, 54, ein erfahrener Kriminalist, wurde damit beauftragt, die Vernehmung fortzuführen. Er, der bereits seit 22 Jahren der Mordkommission angehörte, ließ Krähling zunächst über Kindheit, Jugend und Elternhaus erzählen. Ruhig, höflich und aufgeschlossen plauderte Krähling drauflos. Er berichtete von einer freudlosen und „liebeleeren“ Kindheit. Seine Mutter habe sich um ihn und Hilde, seine Schwester, „so gut wie gar nicht“ gekümmert. Auch habe er seinen Vater, Soldat bei der Wehrmacht, „kaum“ gesehen, nur zweimal während eines Fronturlaubs. Die Ehe wäre „denkbar schlecht“ gewesen und bald nach dem Krieg geschieden worden. Mit seiner zwei Jahre jüngeren Schwester zu den Großeltern „abgeschoben“, habe er dort mit ihr in einem Bett schlafen müssen. Die Folge: „Ich habe sie befummelt. Mir war dabei nicht bewusst, dass ich etwas Unrechtes tue.“ Die Konsequenz: „Hilde kam ins Heim.“
Dann erzählte er von seiner Flucht aus der sowjetisch besetzten Zone in die Bundesrepublik. 1953 war das. „Da war keine Liebe“, erklärte er, „ich fühlte mich innerlich verlassen. Außerdem war mir der Boden zu heiß geworden. Ich hatte einige Diebstähle begangen, wollte auch zu meiner Mutter in die Schweiz. Sie hatte wieder geheiratet.“ Für die „Verfehlungen“ machte er seine „elende Jugend“ verantwortlich. „Keine richtige Erziehung, kein Elternhaus, keine Elternliebe“, das habe ihn „auf die schiefe Bahn“ gebracht. Schließlich gestand er eine Reihe von Raubüberfällen und versuchte Vergewaltigungen, die nur wenige Monate zurücklagen. Gleichwohl gewann nicht nur Georg Brüderle den Eindruck, als wollte Krähling sich durch das Einräumen dieser Taten „aus der Schusslinie“ bringen, das Bild des geständigen und reumütigen Gelegenheitsganoven aufrechterhalten. Denn den Mordversuch in Singen hatte er verschwiegen. Er wusste nämlich nicht, was sein Gegenüber wusste: dass er bereits überführt war.
Immer noch erschien es zu früh, ihn mit den Morden zu belasten. Georg Brüderle bezog sich zunächst auf den Zeitraum vom 15. November 1958 bis 28. Februar 1959. In den Nachtstunden des 17. November war an einem Bahndamm in Karslruhe-Durlach eine 36-jährige bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und vergewaltigt worden. Krähling leugnete: „Damit habe ich nichts zu tun!“ Brüderle ließ nicht locker. Eine halbe Stunde später war es so weit, Krähling gestand. Ohne jede erkennbare Erregung schilderte er, wie er sein Opfer überfiel, von der Straße fortzerrte, sich mit der Frau die Böschung des Bahndamms hinunterrollen ließ, das Opfer bis zur Bewusstlosigkeit würgte. Anschließend habe er der Frau die Kleider auseinander gerissen, sie missbraucht. „Warum?“ wollte Brüderle wissen. „Ich habe mir an diesem Abend im Kino einen Film angesehen“, erklärte er, „danach war ich so erregt, dass ich nicht mehr gewusste habe, was ich tat.“
Brüderle witterte Morgenluft. Jetzt! Der Zeitpunkt war günstig. Der Mordversuch in Singen. Würde er auch diese Tat einräumen? Zunächst dasselbe Spiel: „Nein!“ Er stritt alles ab. Brüderle gab nicht nach, las aus dem Vernehmungsprotokoll der Gisela Peters vor, die ihn als Täter identifiziert hatte. Wieder kein Wirkungstreffer. Krähling blieb stumm.
Pause. Zeit zum Verschnaufen. Brüderle zog währenddessen eine alte Zeitung aus den Akten hervor und faltete sie so auseinander, dass Krähling die fettgedruckte Schlagzeile lesen konnte: „Mutmaßlicher Sexualmörder gefasst!“ Brüderle provozierte: „Du liest doch sicher auch Zeitungen, oder?“ - „Ich weiß, was Sie wollen“, entgegnete Krähling und lächelte gequält, „aber da sind Sie bei mir auf der falschen Spur!“
So ging es weiter:
Brüderle: „Nun, wenn Du es weißt, rührt sich da nicht wenigstens Dein Gewissen?“
Krähling: „Nein! Warum? Ich habe mit den Morden nichts zu tun!“
Brüderle: „Du hast jetzt bereitwillig eine Menge verschiedener Straftaten eingestanden. Ist das wirklich alles oder hast Du noch mehr auf dem Kerbholz? Es kommt nun auf eine mehr oder weniger nicht an!“
Krähling: „Es könnte sein, dass ich noch einige Notzuchtversuche begangen habe, an die ich mich momentan nicht erinnern kann.“
Brüderle wechselte das Thema, fragte ihn nach den Vorkommnissen in Hamburg. Das war 1957 gewesen. „Du hast ja schon allerlei Streiche aus dieser Zeit eingestanden und auch von einer Gefängnisstrafe erzählt. Vielleicht fällt dir noch etwas aus den Sommermonaten ein?“
Krähling stutzte einen Moment, fixierte sein Gegenüber. Dann: „Im Sommer 1957? Ja, da war ich als Wagenpage von Juni bis Ende August bei der Reisegesellschaft Scharnow-Hummel aber da habe ich nichts verbrochen, obgleich von anderen Angestellten oft Wein und Schoko aus Italien und der Schweiz geschmuggelt wurden.“
Brüderle: „Warum hast du den sicher nicht schlechten Posten bei dieser Firma wieder aufgegeben?“
Krähling: „Man hat mich entlassen, weil ich Decken für die Nachtfahrten den Passagieren ohne Quittung ausgeliefert habe.“
Wieder ein Indiz. Krähling kannte also den Betrieb und die Abläufe in Ferien-Sonderzügen. Hatte er sich dieses Insiderwissen bei dem Mord an Doris Köster im Juni 1959 bei Ebringen zunutze gemacht?
Brüderle setzte nach: „Sieh mal, Wolfgang, das ist schon ganz interessant. Nun wollen wir uns aber einmal über den Winter 1958/59 unterhalten; ich meine die Zeit nach dem Notzuchtsverbrechen an Birgit Groll, das du ja auch zuerst geleugnet hast, bis ich deinem Gedächtnis etwas nachgeholfen habe. Du hast doch bis Ende 1959 in Karlsruhe gearbeitet. Karlsruhe-Durlach, die Nacht vom 26. zum 27. Februar 1959 an dem so genannten Dreieck! Erinnerst Du dich? Die ermordete und vergewaltigte Frau?“
Krähling starrte auf den Boden, schüttelte den Kopf: „Damit habe ich nichts zu tun!“
Brüderle: „Wolfgang, die Umstände sprechen klar gegen Dich! Auf die Dauer hilft Dir kein Leugnen, es verschlimmert nur Deine Lage. Im Falle des Notzuchtsverbrechens an dem Mädchen in Singen hat Dir alles Abstreiten auch nichts genützt! Sei vernünftig! Du warst ja bis jetzt aufgeschlossen!“
Krähling: „Morde gehen mich nichts an, weder in Karlsruhe noch sonst wo. Ich habe Ihnen alles gesagt, mehr weiß ich nicht!“
Brüderle: „Mehr weißt Du nicht? Ist Dein Gedächtnis wirklich auf einmal geschwunden? Wie war es denn in Hornberg am 25. März 1959, am 1. Juni 1959 am Bahndamm in Ebringen und am 5. Juni 1959 in Ötigheim?“
Krähling: „Das geht mich alles nichts an; davon weiß ich nichts!“
Brüderle: „Woher kommen die Blutflecke an Deinem Anzug?“
Krähling lächelte mokant: „Da habe ich mich irgendwo bei einem Überfall auf ein Mädchen verletzt! Notzuchtsverbrechen habe ich ja bereits genügend gestanden! Was wollen Sie eigentlich?“
Brüderle wurde energischer, appellierte: „Ich will die volle Wahrheit, und zwar aus Deinem Mund! Bisher hast Du mich nicht angelogen und hast offen mir Deine Verbrechen gestanden. Das war gut, denn so konnte ich Dir glauben! In wenigen Stunden erhalte ich die untrüglichen Beweise, dass Du, nur Du allein für die vier Morde als Täter in Betracht kommst! Nicht nur durch Zeugen und abtretbare Indizien, sondern durch Dich selbst. Willst Du dann vor mir, der Dir während der Vernehmung mit Verständnis gegenübergetreten ist, als erbärmlicher dummer Lügner stehen und in meinen Augen gemein und niedrig erscheinen? Dann, das sei versichert, wirst Du bei mir jede Spur menschlichen Mitgefühls verloren haben!“
Minutenlang blieb es still. Krähling starrte mit aufgerissenen Augen ins Leere. Ließ er seine Bluttaten vor seinem geistigen Auge Revue passieren? Hatte er das Gefühl, erstmals in seinem Leben so etwas wie Mitgefühl erhaschen zu können? Wollte er Brüderle nicht enttäuschen? Hatte er diesen Mann als eine Art väterlichen Freund akzeptiert?
Dann brach es aus ihm heraus: „Vor Ihnen sitzt kein Mensch, sondern der Teufel! Ich bin der Teufel! Ja, ja! Ich war es! Bitte geben Sie mir Papier und Bleistift und lassen mich in meine Zelle! Ich werde alles genau aufschreiben!“
Krähling sah sich als „Teufel“. Jenes Tier, das aus dem Abgrund steigt und viele Gesichter hat. Mal als verführerische Schlange, mal als roter Drache mit sieben Köpfen und zehn Hörnern. Anderswo erscheint er als schwefelstinkender Ziegenbock oder schlicht als schwarzes Ungetüm mit spitzen Ohren und Hinkefuß. Er ist kein Mensch. Er ist auch nicht existent. Das wissen wir. Aber er schleicht sich in unser Bewusstsein. Der Antichrist ist das Produkt von Projektionen, Illusionen, Visionen, Fantasien und Ängsten zahlloser Menschengenerationen.
Wir glauben dennoch an die Vernunft. Und wir bemühen uns, vernünftig zu sein. Das gelingt: meistens, manchmal oder kaum. Jeder nicht ohne weiteres erklärbare Vorgang, jede geheimnisumwitterte Begebenheit verbirgt einen natürlichen, realen, nachvollziehbaren Kern. Wir wissen heute, warum Tomaten zunähst grün, später rot sind; wie Wirbelstürme entstehen, wie Krebs, Börsencrashs, Kinder; warum der eine blonde, der andere schwarze Haare hat; dass wir alle sterben müssen. Die Verantwortlichen kenne wir: die Natur, der Mensch. Aber das Wesen, die Psyche, die Seele des Menschen bleibt schemenhaft, wir können sie nicht (an)fassen, nicht sezieren, nur unzureichend erklären. Vieles bleibt uns (noch) verborgen. Forscher versuchen ds Gehirn zu vermessen, das Genom zu entschlüsseln. Der Zellkern lässt vieles erkenne, einiges erklären. Nur manche Fragen bleiben rätselhaft, quälen uns: Was macht Menschen zu Mördern? Wie kommt das Böse, das Abgründige, das Grauenhafte in die Welt?
Die Antwort ist: der Satan. Er ist der stets verfügbare Sündenbock. Er ist heimtückisch, verschlagen, besitzergreifend. Und wer den Teufel ruft, sich mit ihm einlässt, der wird von dunklen Mächten heimgesucht. Wo nichts mehr erklärt, wo Verbrechen wider die Menschlichkeit nur unzureichend analysiert, wo Motive nicht zweifelfrei gedeutet werden können, bedienen wir uns seiner. Der Beelzebub ist schlecht, böse, bringt das Unheil über die Menschen. Er lässt uns leiden. Die bösen Menschen kommen dorthin, wo sie hingehören - in die Hölle. Luzifer wartet dort auf sie.
Und jedes Ungetüm ist es, das uns zu dem macht, was wir nicht sein wollen. Sein Name ist Programm: Diabolos, der „Durcheinanderbringer“. Der Teufel soll der innere Dämon sein, der uns beherrscht, der uns Dinge tun lässt, die wir eigentlich nicht tun können, nicht tun sollen, nicht tun dürfen. Nicht wenige Menschen glauben: Der Teufel ist in uns. Das tatsächlich Diabolische an der Figur des Zähne bleckenden Höllenfürsten ist, dass sie unser Bewusstsein verklärt, betäubt, benebelt und Gewalt in all ihren Erscheinungsformen zum Werk einer höheren, nicht beeinflussbaren Macht (v)erklärt.
66 Messerstiche und Hammerschläge töteten Burkhard Horn im Juli 2001. Die Mörder des 33-Jährigen waren sein Arbeitskollege, das Ehepaar Linda (23) und Phillip Rettig (26), bekennende und praktizierende Satanisten. Vor dem Bochumer Landgericht bestritten sie jegliche Verantwortung, „der Teufel selbst“ sei es gewesen, er habe sich ihrer „bemächtigt“. Phillip Rettig bei seinem Schlusswort: „Wir sind keine Mörder. Auch bei einem Unfall wird nicht das Auto, sondern der Fahrer angeklagt.“
Ähnlich argumentierte auch Wolfgang Krähling. Warum er insbesondere skrupellos vergewaltigt und gemordet hatte, wusste er nicht. Oder er wollte es nicht preisgeben. Schämte er sich? Die Erklärung, er sei durch „Kinofilme oder Pornohefte geschlechtlich erregt“ worden, ist unzureichend. Sie beschreibt lediglich den Zustand, nicht aber ihre Ursache. Krähling war sich selbst ein Rätsel. Aber er wusste, was er getan hatte. Der Vernehmungsbeamte attestierte ihm sogar ein „ausgezeichnetes Erinnerungsvermögen“. Also erklärte er sich flugs zum „Teufel“. Er hatte jetzt ein Alibi, wollte lediglich ausführendes Organ gewesen sein, brauchte keine Verantwortung zu übernehmen. Das Zerrbild seiner selbst: fremdbestimmt, ferngesteuert, willenlos. So einfach ist das.
Ausführlich schilderte er an den folgenden Tagen sämtliche ihm vorgeworfenen Morde und sonstige Verbrechen; auch jene, die man ihm gar nicht angelastet hatte, unter anderem 12 unvollendete Morde. Warum er seine Opfer getötet oder dies versucht hatte, vermochte er indes nicht zu erklären: „Über das Motiv zu meinen Taten bin ich mir selbst nicht im Klaren. Zweifellos hat mein starker Geschlechtstrieb eine entscheidende Rolle gespielt. In allen Fällen hatte ich nicht von vornherein die Absicht, die Frauen zu töten, sondern dieser Entschluss kam mit Ausnahme des Falles Wolbring erst dann über mich, als ich damit begonnen hatte, Gewalt und Erzwingung des Geschlechtsverkehrs anzuwenden.“
Die für den Prozess bestellten Gutachter charakterisierten Krähling als „kontaktarm“ und „egozentrisch versponnen“, jedoch „korrekt und höflich“, von „angenehmen Umgangsformen“; eine freundliche „Bestie“. Sie bezeichneten seine Lebensart und -einstellung aber auch als „hochgradig infantil, selbstunsicher und zunehmend drang- und triebhaft fordernd“. Seine Selbstunsicherheit sei schließlich „in Aggressivität umgeschlagen“. Alkohol, Tanzveranstaltungen oder sonstige Vergnügungen habe er gemieden. Nur ins Kino sei er gerne gegangen, wobei er sich insbesondere mit dem Kriminalkommissar im Film identifiziert habe. Vermutlich ließ er sich deshalb nach langem Zureden ein Geständnis entlocken. Der Kommissar, sein Vorbild, eine Autorität; jemand, dem man sich irgendwann beugen musste, dem man vertrauen konnte, der entweder eh alles wusste oder es herausfinden würde - wie im Film.
„Nicht Gewalt selbst“, so urteilte das Gericht, habe ihn zu seinen Taten gedrängt; vielmehr sei sie pragmatischer Natur gewesen. Das Ziel: „Die Opfer sollen wehrlos gemacht werden.“ Diese zweckhafte Vorgehensweise, seine immer wieder durchschimmernde Fähigkeit zur Selbstkritik und seine detailgetreue, an Verbissenheit und Pedanterie grenzende Exaktheit in seinen Tatschilderungen wurden für ihn zum prozessualen Bumerang: Ihm wurde „volle Schuldfähigkeit“ bescheinigt. Die Begründung: „Seine psychopathischen Züge haben den Angeklagten in seinem Wesen auch nicht derart verändert, dass seinen Handlungen eine Art Zwangsläufigkeit zugekommen wäre. Er hätte durchaus auch anders handeln können. Neben einer durchschnittlichen Urteils- und Kritikfähigkeit ist seine intellektuelle moralische Urteilsfähigkeit nicht gestört. (…) Als Ergebnis ist festzustellen: Selbst wenn man zu Gunsten des Angeklagten annimmt, seine psychopathische Charakterstruktur, soweit sie sich überhaupt in kriminellen Handlungen erschöpft, habe seine Einsichtsfähigkeit oder sein Hemmungsvermögen oder beides beeinflusst, so führte das aus den dargelegten Gründen auf alle Fälle nicht zu einer erheblichen Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zur jeweiligen Tatzeit.“*
Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob Krähling zu den Tatzeiten voll oder vermindert schuldfähig war. Mehr als vier Jahrzehnte sind mittlerweile vergangen, forensische Psychologie und Psychiatrie haben sich entwickelt, insbesondere Sexualdelikte werden nun wesentlich differenzierter bewertet. Aus heutiger Sicht wäre zweifellos anders zu urteilen gewesen. Zwei weitere Aspekte erscheinen wesentlicher. Wie konnte Krähling sich zu „einem der gefährlichsten Sexualverbrecher der Kriminalgeschichte“ entwickeln? So hatte ihn das Gericht eingestuft. Und warum wurde gerade er es?
Die erheblich gestörte Mutter-Kind-Beziehung - in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder als ein wesentlicher Faktor diskutiert und unterstellt - könnte dazu beigetragen haben. Krähling erinnerte sich mit unverkennbarem Unbehagen: „Dass meine Mutter jemals mit mir zärtlich gewesen ist, daran kann ich mich nicht erinnern: Ich hatte den Eindruck, als wenn sie immer etwas gegen mich gehabt habe“. Die summarische Charakterisierung durch seine Mutter stützt diese Einschätzung: „Insgesamt möchte ich über die Kindheit von Wolfgang sagen, dass er nicht helle, sondern eher dumm war, aber doch listig und etwas heimtückisch. Außerdem war er sehr scheinheilig.“ Gleichwohl glaubte sie, ihre Kinder nicht vernachlässigt zu haben, vielmehr „eine gute Mutter“ gewesen zu sein: „Ich selbst habe meine Kinder gut und streng erzogen. Wenn ich sie geschlagen habe, dann hatten sie es verdient. Meistens habe ich Ohrfeigen ausgeteilt.“
Unbestritten ist, dass Trennungen von der Mutter in der frühen Kindheit, aber auch seelische und emotionale Enttäuschungen zu Entwicklungsstörungen führen können. Gemüt und intellektuelle Potenz verkümmern. Hier war es so. „Ich hatte sozusagen keinen Menschen“, so resümierte er, „der mir beratend zur Seite gestanden hätte. Ein Elternhaus hatte ich nicht. Meine Großeltern waren zwar sehr gut zu mir, aber sie haben mich nicht verstanden.“ Die Folge: Er blieb mehrfach sitzen, er musste die Schule frühzeitig verlassen, er begann zu stehlen. Trotz eines überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten von 111 kam er auf keinen grünen Zweig. Er war nicht gefördert worden, man hatte ihn „allein gelassen“.
Das Ergebnis war ein so genanntes Deprivationssyndrom. Krähling wurden bedürfnisbefriedigende Objekte und Reize entzogen oder vorenthalten, er war sozial vollkommen isoliert. Er hatte „keinen Freund“. Er hatte Angst, wieder ausgegrenzt zu werden. Er hatte kein Verhaltensmuster kennen gelernt, an dem er sich hätte orientieren können. Seine sexuellen Bedürfnisse musste er ebenfalls unterdrücken, er war zu „schüchtern“. Insofern könnte man aus der gestörten „Mutter-Kind-Dyade“ - sie ist in der Regel die erste Objektbeziehung eines Menschen - diesen verheerenden Entwicklungsverlauf herleiten.
Tatsache ist ferner, dass Serienmörder in 89 Prozent der Fälle von einer „angstvollen“, „schrecklichen“ oder „höllischen“ Kindheit berichten. Aber: Straftäter, die stehlen, betrügen, rauben, vergewaltigen, haben häufig Gleiches oder Ähnliches durchgemacht. Nur: Sie töten nicht. Und es gibt weitaus mehr Menschen, die unter denselben Bedingungen aufgewachsen sind, aber nicht delinquent werden. Die insbesondere durch ehemalige FBI-Agenten vertretene Auffassung, multiple Sexualmörder hätten aufgrund „einer gestörten Mutter-Kind-Beziehung, einer emotionalen und /oder sozialen Vereinsamung Tötungsfantasien entwickelt“, wird de Komplexität dieses Gewaltphänomens nicht gerecht. Sie ist zu oberflächlich, zu simpel, und es bleibt nebulös, warum Menschen, die ein ähnliches Schicksal durchleiden müssen, sich vollkommen unterschiedlich entwickeln.
Diese unbestreitbare Diskrepanz hat mich dazu bewogen, Merkmale solcher Täter zu vergleiche, die einmal oder in Serie getötet haben. Ich orientierte mich dabei an einer Forschungsarbeit, vorgelegt durch die Sozialwissenschaftler Irmgard Rode und Siegfried Scheid (Sozialprognose bei Tötungsdelikten - Eine empirische Studie, 1986). Grundlage dieser sozialpsychologischen Analyse bildeten die Urteile sämtlicher Tötungsdelikte der Bundesrepublik Deutschland aus den Jahren 1969 und 1981. Insgesamt waren es 750. Da eine enorm hohe Anzahl von Tätern und Taten untersucht worden waren, entschied ich, die dort untersuchten Merkmale in meiner eigenen Probandenpopulation (61 Serienmörder) nachzuvollziehen. Würden sich signifikante Unterschiede ergeben? Ich gelangte zu folgendem Ergebnis:
Merkmal Mörder allg. % Serientäter %
männlich 90 89
ledig/geschieden 65 74
Arbeiter/Handwerker 52 34
arbeitslos 26 39
ungünstige Erziehung 70 89
Vorstrafen 51 79
vermindert schuldfähig 54 51
Persönlichkeitsstörung 18 89
Hirnanomalien 10 33
Tat(en) im Affekt 53 2
Konflikttat(en) 15 3
Motiv Habgier 11 36
sexuelles Motiv 2 41
Opfer weiblich 47 66
Opfer männlich 53 34
keine Täter-Opfer-Beziehung 21 80
Alkohol-/Drogeneinfluss 49 28
Suizidversuch 9 27
Alter zur Tatzeit 31,5 J. 27,6 J.
Die festgestellten Merkmalshäufigkeiten belegen, dass Serientäter sich in einigen wesentlichen Parametern (in der Tabelle durch Fettdruck hervorgehoben) von gewöhnlichen Mördern und Totschlägern gravierend unterscheiden. Charakteropathisches Profil, Motive, Tatdynamik, kriminelle Vorbelastung und Täter-Opfer-Beziehung divergieren signifikant. Doch wer glaubt, aus dem Umstand, dass bei 89 Prozent der Serientäter (Übrige: lediglich 18 Prozent) Persönlichkeitsstörungen im Sinne klinischer Diagnostik gutachterlich und gerichtlich angenommen wurden, der irrt. Die am häufigsten festgestellte Anomalie war die „dissoziale Persönlichkeitsstörung“. Nach der „Internationalen Klassifikation psychischer Störungen“ (ICD 10) der Weltgesundheitsorganisation - es handelt sich hierbei um klinisch- diagnostische Leitlinien - liegt in solchen Fällen „eine große Diskrepanz zwischen dem Verhalten und den geltenden sozialen Normen“ vor. Charakteristisch sind unter anderem: herzloses Unbeteiligtsein gegenüber Gefühlen anderer; deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln, Verpflichtungen; Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger Beziehungen, aber keine Schwierigkeiten, Beziehungen einzugehen; sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten. Gleichwohl wurde diese Persönlichkeits- und Verhaltensstörung lediglich bei 28,8 Prozent der Täter diagnostiziert. Auf Platz zwei der Rangfolge fanden sich in nahezu jedem vierten Fall so genannte kombinierte Persönlichkeitsdefekte. Diese Kategorie ist vorgesehen für Anomalien, „die häufig zu Beeinträchtigungen führen, aber nicht die spezifischen Symptombilder der sonstigen beschriebenen Störungen aufweisen“.
Die Untersuchungsergebnisse erlauben zwei Schlussfolgerungen. Die Ursache für serielles Morden lässt sich aufgrund der Vielschichtigkeit und Komplexität kriminovalenter Dispositionen aus kriminologischer Sicht ausnahmslos multifaktoriell und unter psychopathologischen Kriterien vorwiegend im Sinne einer „Komorbidität“ - hierunter wird das Zusammentreffen oder Zusammenbestehen verschiedener Störungen verstanden - herleiten. Auch wenn man Subtypen des Serienmörders bildet, ergeben sich häufig keine Übereinstimmungen, die verallgemeinernde Aussagen rechtfertigen. Es existiert vielmehr ein facettenreiches Bild, das nahe legt: Den Prägnanztyp des „Serienmörders“ gibt es nicht. Dass es bis heute nicht überzeugend gelungen ist, im Rahmen der Gegenüberstellung von Einfach- und Serientätern die erhoffte Trennschärfe abzubilden, ist hingegen erklärbar. Häufig hängt es von äußern Faktoren ab, wie und wann ein Mörder überführt wird. Das heißt: Unter den Einfach-Mördern befindet sich zweifelsfrei stets eine unbestimmte Anzahl potentieller Serientäter. Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass die lediglich an der Anzahl der Opfer orientierte Unterteilung nicht die Relevanz beanspruchen darf, die ihr bisher attestiert worden ist. So einfach geht es nicht. Sinnvoll erscheint vielmehr eine Differenzierung nach Persönlichkeitsstörung oder sexueller Devianz. Allerdings wird der empirische Nachweis für diese Hypothese erst noch zu erbringen sein.
Auch der Fall Krähling bleibt in Teilbereichen unverständlich. Die brüchige, emotional schwer belastete Beziehung zu seiner Mutter, seine soziale Frigidität, sein Unvermögen, sich Frauen gegenüber verständlich zu machen, sich ihnen normal zu nähern, das sukzessive Abgleiten in die Kriminalität; all dies mag mit ausschlaggebend gewesen sein. „Mein Problem war“, erklärte er einem Psychologen, „dass die nonverbale Kommunikation nicht geklappt hat.“ Aber auch hier werden lediglich Symptome beschrieben, ohne deren Ursache erhellen zu können.
Seinem Ankläger, dem Oberstaatsanwalt, gelang dies auch nicht. Aber er forderte das höchste Strafmaß, das nach dem Zweiten Weltkrieg gegen einen Menschen in der Bundesrepublik beantragt worden war - achtmal lebenslänglich und 156 Jahre Zuchthaus nach der Addition der Einzelstrafen sowie Sicherungsverwahrung und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit. Der Oberstaatsanwalt damals wörtlich: „In Bruchsal werden sich neun Türen hinter Krähling schließen, durch die er nie mehr herauskommen soll. Sie werden in die Hölle führen.“ Die „Bestie“, der „Teufel“, sollte, da es die Todesstrafe nicht mehr gab, lebendig begraben werden.
Das Urteil sah folgende Strafe vor: „Der Angeklagte Wolfgang Krähling ist als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher schuldig des Mordes in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit einem Verbrechen der Notzucht mit Todesfolge verübt, des versuchten Mordes in zwölf Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit versuchter, in einem Fall mit vollendeter Notzucht und in einem weiteren Fall mit schwerem Raub verübt, der versuchten Notzucht, der Unzucht mit einem Kinde unter 14 Jahren und der gefährlichen Körperverletzung in je einem Falle, des schweren Raubes in zwei Fällen, der schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen und des schweren Diebstahls im Rückfall in fünf Fällen. Der Angeklagte wird zu lebenslangem Zuchthaus und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verurteilt.“
Er ist wieder herausgekommen aus seiner sechs Quadratmeter messenden Gruft; allerdings nur zweimal - für wenige Stunden und unter strenger Aufsicht. „Ausführen nennt man das. 42 Jahre hat er durchgehalten. Der heute 65-Jährige, seit Jahren krebskrank, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Er will raus - obwohl er nicht therapiert worden ist. Soll er?
Quelle:
Mit freundlicher Genehmigung von Stefan Harbort. Ein Auszug aus seinem Buch -
Mörderisches Profil
Phänomen Serientäter
Taschenbuch
448 Seiten / 18,4 x 12 x 3,2 cm
3. Auflage 2004
ISBN 3453878809