22. Fall - Albert Howard Fish - Amerikas berüchtigster Kannibale (1936)
Albert Howard Fish (* 19. Mai 1870 in Washington D. C. als Hamilton Fish; † 16. Januar 1936 in Sing Sing, Ossining) war ein US-amerikanischer Serienmörder. Er gilt als erster und zugleich als exzessivster polymorpher Perverser (eine Person, die eine Vielzahl von sexuellen Perversionen praktiziert) der Kriminalgeschichte.
Er entstammte einer angesehenen Familie, die in Washington D.C. lebte.
Nähere Untersuchungen ergaben, daß sieben Verwandte mit schweren geistigen Störungen, über zwei Generationen hinweg, in dieser Familie existierten. Zwei seiner Onkel starben in psychiatrischen Krankenhäusern, seine Mutter litt an Halluzinationen, einer seiner Brüder war geistesschwach (er starb an einem Wasserkopf), ein anderer wiederum war starker Alkoholiker und seine Schwester verfiel letztendlich dem Wahnsinn.
Albert Fish verlor seinen Vater als er gerade mal fünf Jahre alt war. Die anschließende Alleinversorgung durch die Mutter überforderte diese völlig, so daß sie Albert notgedrungen in ein Waisenhaus geben mußte, während sie für ihren Unterhalt sorgte. In diesem Waisenhaus war der heranwachsende Knabe allerdings ständig den Quälereien der Pfleger ausgesetzt.
Fish sagte später aus, daß ihn diese Übergriffe sexuell erregt hätten und er auf diese Weise erkannte, daß er sadomasochistisch und sadistisch veranlagt war.
Aufzeichnungen beschreiben Fish als ein Problemkind, das „jeden Samstag davonrannte" und bis zu seinem 11. Lebensjahr anhaltend das Bett näßte. Als er im Alter von 15 Jahren die staatliche Schule absolviert hatte, begann er, sich selbst Albert zu nennen, weil seine Klassenkameraden ihn „Harn and Eggs" gerufen hatten.
Das Wohnhaus von Albert Howard Fish.
Als Erwachsener verrichtete Fish Gelegenheitsarbeiten und kam als reisender Maler und Tapezierer im ganzen Land herum. 1898 heiratete er eine um neun Jahre jüngere Frau und wurde Vater von sechs Kindern, ehe seine Ehefrau im Januar 1917 mit einem Untermieter namens John Sträube davonlief. Später kehrte sie mit Sträube im Schlepptau wieder heim, und Fish nahm sie unter der Bedingung zurück, daß sie ihren Liebhaber wegschicke. Später entdeckte er, daß seine Frau Sträube im Dachboden versteckt hatte; nach einem wilden Streit verließ sie ihren Gatten und kehrte nie wieder zurück.
Nach seiner eigenen Aussage hatte Fish seinen ersten Mord im Jahr 1910 begangen, als er einen Mann in Wilmington, Delaware, tötete. Seine Kinder bemerkten die erste augenfällige Veränderung in Fishs Verhalten, als ihm seine Frau zum erstenmal davongelaufen war. Anscheinend von Halluzinationen heimgesucht, ballte er die Faust gegen den Himmel und schrie immer wieder: „Ich bin Christus!" Besessen von Gedanken an Sünde, Opfertum und Läuterung durch Schmerz, forderte Fish seine Kinder auf, ihn zu schlagen, bis sein Gesäß blutete.
Er selbst steckte sich zahlreiche Nadeln in seine Leiste, wobei er manche nicht mehr herausziehen konnte, weil er sie zu rief hineingesteckt hatte, (Eine Röntgenaufnahme im Gefängnis ließ mindestens 29 verschiedene Nadeln in seiner Beckengegend erkennen, manche davon waren im Lauf der Zeit zu bloßen Fragmenten korrodiert). Bei anderen Gelegenheiten tränkte Fish Wattebällchen in Alkohol, steckte sie in seinen Anus und setzte sie in Brand. Als er begann, Nadeln unter seine Fingernägel zu schieben, klagte Fish: „Wenn nur der Schmerz nicht so schmerzhaft wäre!"
Obwohl er niemals von seiner ersten Frau geschieden worden war, heiratete Fish drei weitere Male und genoß ein Sexualleben, das die Gerichtspsychiater als „beispiellose Perversität" beschrieben. (Im Gefängnis stellten die Behörden eine Liste von 18 Fällen von Paraphilie zusammen, die Fish praktizierte, darunter Koprophagie — den Konsum menschlicher Exkremente.) Man kann seinen Hang zum Sadomasochismus auf seine Zeit im Waisenhaus zurückfuhren. Als Fünfjähriger begann Gefallen an Schlägen auf den nackten Hintern zu finden, und später richtete sich Fishs Besessenheit vom Schmerz vor allen gegen Kinder. Obwohl er „von Gott" der Befehl erhielt, junge Knaben zu kastrieren, mißbrauchte er Kinder beiderlei Geschlechts, als er im Land umherreiste.
Anklagevertreter brachten ihn mit „mindestens hundert" sexuellen Übergriffen in 23 amerikanischen Bundesstaaten in Verbindung, von New York bis Wyoming, aber Fish fühlte sich durch diese Schätzung gekränkt. „Ich hatte in jedem Bundesstaat Kinder", erklärte er und setzte die Zahl seiner Opfer in der Nähe von 400 an.
Dessen ungeachtet war Fish in der Ausführung seiner Verbrechen leichtsinnig und verlor immer wieder Anstellungen, „weil Dinge über diese Kinder herausgekommen sind". Im Laufe der Zeit war er achtmal festgenommen worden und saß wegen schweren Diebstahls, Scheckbetrugs und Bewährungsvergehen.
Obszöne Briefe waren eine seiner Leidenschaft, und Fish verschickte zahllos Exemplare davon an Fremde, deren Adressen er sich von Heiratsinstituten verschafft hatte, die er in den Kontaktanzeigen von Zeitungen ausfindig gemacht hatte.
1928 freundete sich Fish als „Mr. Howard" mit der Familie Budd in White Plains, New York, an: Als er am 3. Juni die zwölfjährige Grace Budd zu einer erfundenen Kinderparty begleitete, brachte er das Kind zu einem abgeschiedenen Ferienhaus, wo er es zerstückelte und sich aus den Körperteilen einen Eintopf kochte.
Zwei Jahre später, als der Budd-Fall noch immer ungelöst war, wurde Fish zum erstenmal in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Nach zweimonatiger Beobachtung wurde er mit einer Notiz entlassen, die lautete: „Nicht geisteskrank; psychopathische Persönlichkeit; sexueller Typ". Als die Polizei Fish im Jahr 1931 einmal mehr aufgrund der Anschuldigung verhaftete, daß er unanständige Briefe verschickt hätte, fand man eine offensichtlich benutzte neunschwänzige Katze in seinem Zimmer. Nach weiteren zwei Wochen auf einer psychiatrischen Station wurde Fish entlassen.
Fish schien sich diebisch über seine Verbrechen zu freuen, denn er sandte im Jahr 1934 einen Brief an die Familie Budd, in dem er berichtete, daß Grace tot sei, und sonderbarer weise hervorhob, daß sie „als Jungfrau starb". Als er von der Polizei durch sein charakteristisches Briefpapier aufgespürt worden war, gestand Fish bereitwillig auch andere Morde, darunter die an Kindern in den Jahren 1919, 1927 und 1934.
Albert Fish auf dem Weg zum Verhör.
Die Ermittler listeten zumindest drei weitere Opfer in New York auf. Als er in einem der Fälle zum Verhör vorgeladen worden war, hatte man Fish wieder entlassen, weil „er so unschuldig schaute". Bei einer anderen Gelegenheit identifizierte ein Straßenbahnschaffner Fish als jenen Mann, den er mit einem kleinen, schluchzenden Jungen an dem Tag gesehen hatte, an dem das Kind verschwunden war.
Ein Gerichtspsychiater verdächtigte Albert, zumindest fünf Morde begangen zu haben, die Ermittler aus New York fügten noch drei weitere hinzu, und ein Richter vom Obersten Gerichtshof von New York wußte „aus verläßlicher Quelle", daß der Mörder in 15 Mordfälle verwickelt war.
Die Aufarbeitung des Falles durch die Presse.
Beim Prozeß war die staatliche Behörde fest dazu entschlossen, die Todesstrafe auszusprechen, und setzte sich mit lachhaften psychiatrischen Aussagen über Fishs Plädoyer auf Unzurechnungsfähigkeit hinweg. Für den Staat sagte eine ganze Reihe von Psychiatern aus, die mit unbewegtem Gesicht erklärten, Koprophagie sei „eine gewöhnliche Sache. Wir bezeichnen Leute, die das tun, nicht als geisteskrank. Ein Mann, der das tut, ist sozial vollkommen in Ordnung. Es ist von ihm anzunehmen, daß er normal ist, weil auch die Behörde für geistige Gesundheit von New York das so anerkennt." Mit Fishs Geplapper und den obszönen Bekenntnissen in Händen, befanden ihn die Geschworenen für gesund und schuldig des vorsätzlichen Mordes im Fall Grace Budd.
Albert Howard Fish wurde zum Tode verurteilt und am 16. Januar 1936 am elektrischen Stuhl des Gefängnisses von Sing-Sing exekutiert.
Laut einem anwesenden Zeugen bedurfte es zweier Schocks, ehe der „Stuhl" seine Arbeit getan hatte. Daraufhin entstand die Legende, daß das Gerät durch die vielen Nadeln kurzgeschlossen worden sei, die Fish in seinen Körper gesetzt hatte.
Quellen: - Die Große Enzyklopädie der Serienmörder (Michael Newton) 2. Auflage 2005 - S. 105 - 107 - ISBN 3-85365-189-5 sowie fundierte Ergänzungen durch erichs-kriminalarchiv.com