28. Fall - Christine Papin und Léa Papin (Frankreich 1933)
Christine Papin (8. März 1905 - 18. Mai 1937) und ihre Schwester Léa Papin (15. September 1911 - 2001) waren zwei französische Dienstmädchen, die am 2. Februar 1933 in Le Mans, Frankreich, die Frau und die Tochter ihres Arbeitgebers ermordeten. Am 2. Februar 1933 war ganz Frankreich mit Schrecken erfüllt, als es von einem schauererregenden Doppelmord in der Stadt Le Mans erfuhr. Zwei angesehene Frauen aus der Mittelklasse, Mutter und Tochter, waren von ihren beiden Dienstmädchen - zwei Schwestern, die bereits seit vielen Jahren ebenfalls mit im Haus lebten – ermordet worden. Die Dienstmädchen hatten die Frauen nicht einfach getötet, sondern ihnen noch zu Lebzeiten die Augen mit den Fingern ausgestochen. Anschließend machten sie sich mit Hammer und Messer daran, beide Frauen in einen blutigen Brei zu verwandeln. In beiden Fällen gab es kaum Wunden am Körper. Abgesehen von einigen Schnittwunden an den Beinen der Tochter, richteten sich die vollen Kräfte des Angriffs hauptsächlich auf die Köpfe. Die Opfer waren buchstäblich nicht wiederzuerkennen.
Die Papin-Schwestern in einem Studioporträt ca. 1927
Dieser Fall bildete die Grundlage für eine ganze Reihe von Filmen und Theaterstücken. Die Papin-Schwestern und die Morde, für die sie schuldig waren, haben in den Annalen der französischen Kriminologie blutige Spuren hinterlassen.
Christine und Léa Papin verbrachten ihre Jugend in Dörfern südlich um Le Mans in Westfrankreich (Le Mans ist eine Stadt im Nordwesten Frankreichs am Fluss Sarthe.).
Der Altersunterschied zwischen beiden betrug sieben Jahre, aber das schien ihre Bindung nicht zu beeinflussen. Sie hatten noch eine ältere Schwester, Emilia, die später Nonne in einem Kloster wurde, nachdem ihr Vater sie angeblich vergewaltigt hatte. Christine und Lea sind in einer dysfunktionalen Familie aufgewachsen und haben Gewalt und verschiedene Formen von Belästigung erlebt.
Christine und Emilia mussten aufgrund dieser ständigen Übergriffe vorerst mehrere Jahre in einem Waisenhaus in Le Mans leben. Léa wurde in dieser Zeit von einem Onkel betreut. Nach dessen Tod ging auch sie in ein Waisenhaus, bis sie alt genug war, um zu arbeiten. Gemeinsam arbeiteten Christine und Lea als Dienstmädchen in verschiedenen Häusern in Le Mans, zogen es aber vor, wenn immer möglich, zusammenzuarbeiten. Später enthüllte ihre Mutter, dass Emilia von ihrem betrunkenen Vater vergewaltigt worden war. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade mal erst neun Jahre alt. Emilia hatte sich inzwischen von der Familie abgewendet und als Nonne in ein Kloster zurückgezogen.
Ihre Mutter hatte die beiden verbliebenen Schwestern regelmäßig besucht, aber es gab ständig ein gewisses Maß an Reibung zwischen ihr und Christine.
Zwei Jahre vor den Morden gab es eine völlige Trennung zwischen den Mädchen und der Mutter, die offenbar auf die ständigen Streitigkeiten über Geld zurückzuführte. Die Mutter schrieb ihnen zwar noch des Öfteren nach diesem Zerwürfnis. Ihre Briefe wurden aber jedes Mal ignoriert.
1926 wurden die beiden Schwestern Hausangestellte in der Villa von René Lancelin, einem pensionierten Anwalt, der in der Stadt Le Mans lebte. Das Herrenhaus war die Heimat von René Lancelin, seiner Frau und ihrer erwachsenen Tochter, währenddessen ihre andere Tochter ausgezogen war, um bei ihrem Ehemann zu leben.
Die beiden Dienstmädchen waren äußerst ruhige und distanzierte Jungfrauen, die lieber für sich blieben und keinerlei Interesse, außer aneinander zu haben schienen. Das könnte auch der Auslöser gewesen sein, warum sich das schreckliche Verbrechen überhaupt zutrug.
Berichten zufolge mussten die Mädchen 14 Stunden am Tag arbeiten, wobei man ihnen in jeder Woche lediglich einen halben freien Tag genehmigte. Das wurde damals bei Hausangestellten als völlig normal angesehen. Auch, obwohl sie dem Dienstherrn sowieso den größten Teil des Tages zur Verfügung standen. Dessen ungeachtet blieben die Mädchen wie immer für sich und erledigten ihre Arbeit mit Demut und Respekt. Sie zeigten auch keinerlei Interesse an der Außenwelt, sondern verbrachten ihre Zeit immer nur miteinander.
Der Hausherr hatte nichts dagegen, solange die Hausarbeit in Ordnung war.
Die Jahre gingen ins Land, ohne einen einzigen Zwischenfall. Wie auch immer! In der Nacht des 2. Februar 1933 änderte sich urplötzlich alles ...
In dieser kalten Februarnacht des Jahres 1933 war der pensionierte Anwalt Monsieur Lancelin mit seiner Frau und seiner Tochter Genevieve zum Abendessen im Haus seines Schwagers eingeladen.
Da er an diesem Tage noch auswärts beschäftigt war, hatte er den beiden Frauen vorgeschlagen, dass er sie abholt. Als er endlich wieder zu Hause ankam, um sie mitzunehmen, stellte er fest, dass die Tür von innen verriegelt war. Es brannte auch kein Licht mehr, abgesehen von einer flackernden Kerze im Dachfenster. Er ging folglich davon aus, dass beide nicht mehr länger auf ihn warten wollten und bereits losgelaufen waren. Als er bei seinem Schwager Monsieur Renard ankam, stellte er fest, dass beide Frauen noch gar nicht eingetrudelt waren. Das kam allen sehr eigenartig vor. Postwendend kehrte er, gefolgt von seinem Schwager, zu seinem Haus zurück. Eskortiert von mehreren Polizisten, verschafften sich diese Zugang durch ein Fenster zum Salon. Einmal drinnen, stellten die Männer fest, dass das elektrische Licht nicht funktionierte. Mit nur einer Taschenlampe als Beleuchtung schlichen sich die Männer nach oben, um dort ... eine Szene wie aus einem Horrorfilm zu vorzufinden.
Beiden Frauen waren fast zu Brei geschlagen worden, ihre Gesichter konnte man nicht mehr erkennen, die Fingernägel wurden ihnen brutal herausgerissen und beiden Frauen hatte man noch dazu die Augen ausgestochen. Das Blut befleckte den gesamten Teppich, der sich wie rotes Moos anfühlte.
Die beiden brutal ermordeten Opfer - Frau Lancelin ihre Tochter Genevieve.
Als sich die Polizisten langsam dem Dachboden näherten, entdeckten sie die beiden Dienstmädchen Christine und Lea Papin, die Kimonos trugen, in einem Bett lagen und sich umklammerten.
Die beiden Frauen gestanden das Verbrechen ohne irgendeine Schutzbehauptung sofort ein. Sie hatten die blutbefleckten Kleider bereits ausgezogen und ihre Hände und Gesichter gewaschen. Auch die zur Tat benutzten Mordwaffen waren mittlerweile gereinigt worden, die aus einem Tranchiermesser, einem Hammer und einem Zinnkrug bestanden und so beschädigt waren, dass sie nicht mehr zu gebrauchen waren.
Welches Motiv präsentierten sie eigentlich für ihr Verbrechen?
Die ältere Schwester Christine (1905-1937) behauptete, dass während des Bügelns mal wieder die Sicherungen durchgebrannt seien und es aufgrund dessen bereits zur zweiten Konfrontation zwischen ihr und Madame Lancelin in dieser Woche gekommen sei. Die beiden Schwestern wurden verhaftet und marschierten trotz des kalten Februarwetters in ihren Kimonos zur Polizeistation.
Das Verbrechen schockierte und betäubte nicht nur die Stadt Le Mans, sondern ganz Frankreich.
Beiden Schwestern hatten über sechs Jahre lang für die Familie Lancelin gearbeitet, seit Christine im Jahr 1926 21 und Lea fünfzehn Jahre alt waren. Die Geschwister hatten den Ruf, gute Arbeitskräfte zu sein, stets ruhig und für sich. Freunde oder nähere Bekannte der beiden kannte keiner. In ihren Arbeitszeugnissen wurden sie als ehrlich, fleißig und korrekt beschrieben. Sie hatten keine Vorstrafen, schienen auch keinerlei Laster zu haben und waren regelmäßige Kirchgänger. Doch plötzlich und ohne die geringsten Anzeichen oder Vorwarnungen, hatten sich diese beiden stillen Mädchen in Ungeheuer verwandelt. Die Bürger von Le Mans fragten sich wahrscheinlich spätestens ab diesem Zeitpunkt ernsthaft, wer von ihnen wohl das nächste Opfer seiner eigenen Dienerschaft werden würde.
Schlagartig über Nacht wurden die beiden Schwestern in Frankreich „berühmt-berüchtigt“. Dies fügte dem Fall eine Dimension von Skandal und Nervenkitzel hinzu. Laut der französischen Presse war es das Verbrechen des Jahrhunderts.
Es gab Mutmaßungen, dass die beiden Schwestern Liebende waren, weil sie zusammen im Bett gefunden wurden. Hatten die Dienstmädchen eine sexuelle Beziehung? Wenn ja, war es sowohl homosexuell als auch inzestuös.
Über Nacht wurden die beiden Schwestern im Alter von 21 und 27 Jahren allbekannt. Die Öffentlichkeit wurde bei diesem Verbrechen auf eine Art und Weise gefesselt, wie sie nur sehr selten vorkommt. Meistens dann, wenn es sich um ein besonders brutales und großangelegtes Massaker handelt. Die Boulevardzeitungen gerieten in Rage und betitelten die Schwestern mit Namen wie: „Die Monster von Le Mans“, „Die Lämmer, die zu Wölfen wurden“, oder „Die wütenden Schafe“.
Plötzlich waren die Namen von Christine und Lèa (ausgesprochen Lay-ah) Papin im ganzen Land und darüber hinaus bekannt. Fast so auffällig wie die schrecklichen Morde war der Kontrast zwischen der Gewalt und dem zurückhaltenden Verhalten der Schwestern. Sie hatten sieben Jahre für ihre Arbeitgeber gearbeitet und waren immer ruhig, fleißig und brav gewesen. Um die Umstände, unter denen sie arbeiteten, näher zu beleuchten, muss man vorab Folgendes in Betracht ziehen. Die beiden Frauen arbeiteten routinemäßig zwölf bis vierzehn Stunden täglich, wobei sie nur einen halben Tag pro Woche frei hatten.
Bei der späteren Gerichtsverhandlung kam zur Sprache: „..., dass Madame Lancelin routinemäßig weiße Handschuhe trug, um zu testen, ob die Möbel ihren Erwartungen entsprochen hatten. Sie überwachte und kontrollierte Christines Küche, indem sie von ihrer jüngsten Tochter Genevieve, die noch zu Hause lebte, formelle Notizen (höflich, aber sehr distanziert und unverbindlich) in die Küche bringen ließ. Madame hatte Lea auch einmal dazu gezwungen, auf die Knie zu gehen, um ein Stück Papier zu holen, das sie beim Putzen vergessen hatte. Übrigens – Madame erlaubte ihren beiden Dienstmädchen auch, in ihrem Schlafzimmer, auf dem Dachboden ... Wärme zu haben!!! Sie erhielten auch immer genug zu essen.“ Christine wusste bis zum Schluss nicht, ob ihr Arbeitgeber menschlich war, weil sie in den gesamten sechs Dienstjahren nie mit ihm gesprochen hatte.
Während der Großteil der französischen Bevölkerung die Schwestern lynchen wollte, waren andere regelrecht fasziniert und versuchten zu verstehen, wie so etwas eigentlich geschehen konnte.
Es gab viele Theorien, die sich hauptsächlich auf die Idee zentralisierten, dass diese Morde ein Beispiel für Klassenkämpfe gewesen seien. Die Psychoanalytiker steuerten ebenfalls ihren Anteil dazu bei und fanden fruchtbares Material in den Augenhöhlen. Sie waren sich der offensichtlich sexuellen Beziehung zwischen den Schwestern unzweifelhaft sicher.
Zwischen den Morden und dem Prozess vergingen fast acht Monate, so dass schwärmerische Phantasien genügend Zeit zur Entfaltung hatten und sich neue Theorien stetig entwickelten. Selbst während sie im Gefängnis auf ihren Prozess warteten, gelangten von den Schwestern, immer mehr Berichte nach draußen.
Ein Brief von Christine Papin, als sie im Gefängnis war. Hier bettelt sie um die Wiedervereinigung mit ihrer Schwester Lèa.
Die ältere Schwester Christine, verbrachte einen Großteil ihrer Zeit damit, nach Lea zu schreien und um die Wiedervereinigung mit ihr zu bitten. Sie rollte sich in offensichtlichen Anfällen sexueller Qual auf dem Boden herum und drückte sich manchmal in einer sexuell unmissverständlichen Sprache aus. Christine wurde äußerst verzweifelt, weil sie Léa nicht sehen konnte, aber irgendwann gaben die Behörden nach und ließen sie ihre Schwester sehen. Sie warf sich sofort auf Léa und sprach mit ihr auf eine Weise, die auf eine sexuelle Beziehung hindeutete.
Wenn sie nicht nach Lea weinte, erlebte sie offensichtliche Halluzinationen und Visionen. Während eines solchen Anfalls im Juli 1933 versuchte sie, sich die Augen auszustechen und man musste ihr vorübergehend eine Zwangsjacke anziehen.
Am Tag nach diesem Kollaps rief Christine den Ermittlungsrichter an und gab ihm eine unge-wöhnliche Erklärung ab. Sie deutete an, zuvor nicht die ganze Wahrheit gesagt zu haben. Dass sie „gemeinsam“ mit ihrer Schwester die beiden Frauen, Madame und Mademoiselle Lancelin, getötet habe, stimme nicht. Sie allein sei es gewesen. Sie allein habe gemordet, weil wieder eine Art „Anfall“ über sie gekommen sei. Lèa hätte an den Morden nicht im Geringsten teilge-nommen.
Christine und Léa Papin im Kimono - kurz nach ihrer Verhaftung - beim Erkennungsdienst.
Der Untersuchungsrichter wimmelte diese Aussage lediglich als einen Versuch ab, Lea freizulassen. Die Jury des Prozesses, so erklärte es der Richter Christine, behandele sie mit gleicher Antipathie. Außerdem bestand Lèa entschieden darauf, dass sie an den Morden teilgenommen habe.
Der Prozess begann im September 1933 wurde zu einer nationalen Veranstaltung, an der eine große Anzahl von Bürgern und die Presse teilnahm.
Die Polizei musste hinzugezogen werden, um die Menschenmenge vor dem überfüllten Gerichtsgebäude zu kontrollieren. Es gab Momente wäh-rend des Prozesses, in denen der Richter drohte, den Saal räumen zu lassen, um die emotionalen Reaktionen der Menschen in der öffentlichen Galerie zu stoppen, insbesondere als das Ausstechen der Augen beschrieben wurde.
Natürlich bestritten die Mädchen, eine sexuelle Beziehung gehabt zu haben, machten aber nie einen Versuch, die Morde zu leugnen.
Es überrascht nicht, dass man beide des Mordes für schuldig befand. Christine wurde zum Tod auf der Guillotine verurteilt.
Als das Urteil ausgesprochen wurde, fiel sie weinend auf die Knie und musste von ihrem Anwalt unterstützt werden. Lèa erhielt keine Todesstrafe. Sie wurde des Mordes an Madame Lancelin für schuldig befunden, jedoch nicht wegen Mordes an der Tochter Genevieve, da die Ärzte zu dem Schluss kamen, dass Genevieve gestorben war, bevor Lèa an den Morden teilgenommen hatte. Die jüngere Schwester Léa verurteilte der Richter deshalb nur zu zehn Jahren harter Arbeit. Die Jury hatte in ihrem Fall einige mildernde Umstände festgestellt, weil sie vollständig von der übermächtigen Christine dominiert worden war.
Christines Urteil wandelte man später in lebenslange Haft um. Das war in Frankreich die normale Prozedur bei Frauen zur damaligen Zeit.
Ihr Zustand verschlechterte sich jedoch im Gefängnis rapide. Sie war zutiefst entmutigt darüber, von ihrer geliebten Lèa getrennt zu sein. Sie verweigerte jedes Essen. Ihr Gesundheitszustand verschlimmerte sich zusehends. Schließlich brachte man sie in die Anstalt in Rennes, aber auch dort konnte nicht das geringste Anzeichen einer Besserung erzielt werden.
Trotz aller Bemühungen starb Christine am 18. Mai 1937.
Die offizielle Todesursache war „Kachexie“.
(Erklärung: Unter Kachexie versteht man eine krankhafte, sehr starke Abmagerung. Kachexie ist ein multifaktorielles Syndrom, das bei verschiedenen chronischen Erkrankungen auftritt).
Léa Papin, zwei Jahre nach ihrer Entlassung (1943).
Lea hingegen offenbarte auch während der gesamten Haftzeit im Gefängnis weiterhin ihr gewohnt ruhiges, sanftmütiges Ich. Sie wurde 1941 aus dem Gefängnis entlassen. Ihre Haftstrafe hatte man wegen guten Benehmens auf acht Jahre verkürzt. Wieder in Freiheit zog sie zu ihrer Mutter Clemence nach Nantes, südlich von Rennes, wo sie unter falschem Namen – Lèa nannte sich nun Marie - einen Job als Dienstmädchen in einem Hotel bekam.
1966 produzierte die französische Schriftstellerin Paulette Houdyer das Buch, „L'Affaire Papin“, das die Geschichte der Papin-Schwestern in einem leider romanhaften Format erzählte. Anscheinend wurde Lèa als Ergebnis dieses Buches von einem Journalisten aus „France-Soir“ interviewt. In diesem Interview erfährt man, dass sie lebendige Visionen von Christine erlebte, die in geistiger Form vor ihr auftauchte und sie sicher war, dass ihre Schwester im Paradies weilte. Sie behielt immer noch alte Fotos von Christine, sowie einen alten Koffer voller schöner Kleider, die die Mädchen vor den Morden für sich angefertigt hatten. Sie gab auch an, dass sie sparen würde, um nach Le Mans zurückzukehren und zu ihrer anderen Schwester Emilia zurückzukehren, die im Alter von 16 Jahren Nonne geworden war, aber es existieren keine Beweise dafür, dass sie dies jemals tat. Das Interview in „France-Soir“ ist die letzte Aufzeichnung des Lebens der Papin-Schwestern.
Es wurde viele Jahre lang angenommen, dass Lea 1982 im Alter von siebzig Jahren gestorben war.
Niemand weiß genau, wann sie gestorben ist. Einige Leute sagen 1982, aber ein Dokumentarfilmer namens Claud Ventura behauptete, er habe entdeckt, dass Lea im Jahr 2000 noch lebte und in einem Hospiz untergebracht war, als er an einem Dokumentarfilm über die Schwestern arbeitete. Sie war infolge eines Schlaganfalls teilweise gelähmt und konnte nicht sprechen, obwohl sie im Film gezeigt wurde. Diese Frau starb im Jahr 2001. Die Jury ist sich jedoch noch nicht vollkommen sicher, ob er Recht hatte oder nicht.
Der Papin-Fall ist sowohl ein psychologischer als auch ein krimineller Fall. Wenn man ihn aus einer modernen Perspektive betrachtet, ist es jedoch klar, dass Christine Papin heutzutage als paranoide Schizophrene diagnostiziert werden würde. In den 1930er Jahren gab es leider noch keine wirksame Behandlung für ihre Krankheit. Aktuell würde man Christine mit wirksamen Beruhigungsmitteln behandeln und sie hätte wahrscheinlich einem längeren Leben entgegensehen können, sogar einem Leben in Glück.
Ihre Schwester Lea hingegen zeigte nie Anzeichen einer Psychose und es gab auch keinen Grund zu der Annahme, dass sie es war. Sie schien sehr schüchtern, ängstlich und unter Stress anfällig für Panikzustände gewesen zu sein und litt vermutlich an Angststörungen. Sie besaß eine eher geringe Intelligenz und wurde von ihrer älteren Schwester dementsprechend dominiert.
Während des Prozesses sagten Ärzte aus, dass Lèa‘s Persönlichkeit vollständig in Christines Persönlichkeit verlorengegangen zu sein schien. Lea war in jeder Hinsicht eine schüchterne, gutmütige und sanfte Person. Kein Arbeitgeber hatte je ein schlechtes Wort über sie geäußert, währenddessen Christine eine eher „schwierige“ Persönlichkeit anhaftete. Einige Male hatte man sie bereits wegen Impertinenz entlassen. Leas Unglück war, dass sie so von Christine dominiert wurde. Wenn sie zu einem früheren Zeitpunkt von Christine getrennt worden wäre, hätte sie sicherlich ein tadelloses Leben geführt und niemals ein Gefängnistor durchschritten. Ein aufmerksamer Arbeitgeber hatte Lèa‘s Mutter unzweideutig vorgeschlagen, die Mädchen in getrennten Anstellungen unterzubringen, da Christine einen schlechten Einfluss auf Lèa ausübte. Der Vorschlag wurde leider ignoriert. Ein Nachteil für Lèa, die schüchterne, gutmütige und sanfte Person.
Dass die Schwestern ernsthafte Probleme hatten, überrascht angesichts der Familiengeschichte nicht. Der Großvater väterlicherseits war sehr oft heftigen Temperamentsausbrüchen und epileptischen Anfällen ausgesetzt gewesen. Einige Verwandte starben in Anstalten oder begingen Selbstmord. Ihr Vater, Gustave Papin, hatte ein schweres Alkoholproblem und vergewaltigte auch ihre Schwester Emilia, als sie neun Jahre alt war. Dieser Angriff auf das Kind hatte die Scheidung der Eltern ausgelöst. Seit dieser Zeit lebten Christine und Emilia mehrere Jahre in einem Waisenhaus in Le Mans. Lèa wurde bis zu seinem Tod von einem Onkel betreut, kam schließlich auch in ein Waisenhaus und wurde erst entlassen, sie alt genug war, um zu arbeiten (wie bereits weiter oben erwähnt).
Die einzige Konstante im Leben der Schwestern Christine und Lèa und ihre einzige dauerhafte emotionale Bindung war ihre Hingabe aneinander. Sie arbeiteten zusammen, wann immer sie konnten, und so landeten sie 1926 im Haushalt von Fam. Lancelin. Christine begann dort zuerst zu arbeiten und hatte innerhalb weniger Monate die Lancelins überredet, auch Lea zu übernehmen. Christine arbeitete als Köchin und Lea als Zimmermädchen. Es scheint, dass ihr Kontakt zur Familie minimal war und ihre Arbeitgeber sich selten die Mühe machten, mit ihnen zu sprechen. Sie teilten sich ein Zimmer in der obersten Etage des dreistöckigen Hauses der Lancelins, blieben weitgehend für sich und gingen jeden Sonntag pünktlich zur Messe. Andere Interessen schienen sie nicht zu haben.
Psychologisch gesehen waren die Mädchen tatsächlich in einen Zustand verstrickt, der den Franzosen als „folie a deux“ bekannt war : „buchstäblicher Wahnsinn bei Paaren“, auch bekannt als: „geteilte paranoide Störung“.
Charakteristischerweise tritt dieser Zustand in kleinen Gruppen oder Paaren auf, die von der Welt insgesamt isoliert werden. Sie folgen einer intensiven, „nach innen gerichteter Existenz“ mit einem paranoiden Blick auf die Außenwelt. Die meisten Paare, die gemeinsame Morde begehen, werden tatsächlich von einer solchen insularen, „nach innen gerichteter Beziehung“ geleitet. Es ist auch typisch für eine gemeinsame paranoide Störung, dass ein Partner den anderen dominiert und dafür waren die Papin-Schwestern das absolut perfekte Beispiel.
Während des Gerichtsprozesses wurde, nach Aussagen einiger Zeugen, Christine in den Monaten vor den Morden zunehmend aufgeregter und manischer.
Die Skizze vom Tatort.
Ihr Zustand verschlechterte sich während dieser Zeit offensichtlich und am Abend des 2. Februar 1933 habe sich ihr Wahnsinn schließlich zugespitzt. Sie griff zuerst die Mutter und dann die Tochter an und bohrte ihre Finger in die Augen der beiden Opfer. Irgendwann gesellte sich Lea dazu und der Angriff wurde gemeinschaftlich mit einem Hammer, einem Messer sowie einem Zinntopf fortgesetzt, der zufällig im Flur stand.
Der Überfall schien ungefähr dreißig Minuten gedauert zu haben. Am Ende hatten sie beide Opfer buchstäblich bis zur Unkenntlichkeit totgeprügelt. Die Schwestern wuschen sich, säuberten sich vom Blut, gingen in ihr Zimmer, entkleideten sich, kletterten ins Bett und warteten auf das Eintreffen der Polizei. Sie machten keinerlei Fluchtversuch und keinen Versuch, ihre Taten zu verschleiern.
Die Papin-Schwestern während ihres Prozesses im September 1933.
Beide sahen aus, als wären sie um zwanzig Jahre gealtert. Vorn im Bild sind ihre Anwälte zu sehen.
Während des Prozesses berichteten Mediziner, dass Christine mit ihrer durchschnittlichen Intelligenz, als die dominierende Person in dieser Beziehung fungierte.
Léa, mit ihrem schlichteren Verstand wurde bis zu dem Punkt gelenkt, an dem sie ihre Eigenständigkeit der Persönlichkeit Christines buchstäblich unterordnete.
Der Urteilspruch verlief in diese Richtung und war fast vorhersehbar.
Es wurde viele Jahre lang angenommen, dass Lèa 1982 im Alter von siebzig Jahren gestorben sei, aber der französische Filmemacher Claude Ventura verwarf diese Idee. Während seines Dokumentarfilms „En Quete des Soeurs Papin“ (Auf der Suche nach den Papin-Schwestern) fand Ventura verschiedene Inkonsistenzen und Anomalien in den offiziellen Aufzeichnungen.
Infolgedessen machte er die erstaunliche Entdeckung, dass Lèa 1982 nicht gestorben war, wie alle gedacht hatten, sondern zu dem Zeitpunkt, als er seinen Film drehte, quasi noch lebte. Lea Papin wohnte im Jahr 2000 in einem Hospiz irgendwo in Frankreich. Aufgrund eines Schlaganfalls, den sie vor den Dreharbeiten erlitten hatte, war sie teilweise gelähmt. Durch den Schlaganfall konnte sie auch nicht mehr sprechen, was außerdem noch zu ihrer mysteriösen Persönlichkeit beitrug.
Lea Papin starb am 24. Juli 2001 und wurde neben ihrer Mutter Clemence begraben, die am 10. Januar 1957 gestorben war. Beide beerdigte man in der Ortschaft Ciemetiere de la Bouteillerie in Nantes, wo Lea einst lebte, kurz nachdem man sie aus dem Gefängnisses entlassen hatte.
Wie bereits erwähnt, haben die Papin-Schwestern einen bemerkenswerten Einfluss auf eine Reihe von Werken, die man über sie hervorgebracht oder auf andere Weise mit ihnen in Verbindung brachte. Das erste war das Stück „The Maids“ von Jean Genet, das erstmals 1947 produziert wurde, als Lea noch lebte und zu dieser Zeit wahrscheinlich gerade im Hotel arbeitete. Auf Genets Stück folgten schließlich andere Theaterstücke und Filme sowie eine unendliche Welle von Artikeln und Büchern.
Es ist ein bemerkenswerter Rekord für zwei gutmütige Dienstmädchen, über deren Leben stets ein dunkler Schatten lag. Erst zwei schreckliche Morde in jener kalten Winternacht des 2. Februar 1933, in Le Mans, brachten Licht in diese Dunkelheit…
Quellen: The Mirror - Police Magazine und erichs-kriminalarchiv.com